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MEHRMOTORENANTRIEBSSYSTEME<br />

sentieren sowohl die Ergebnisse mehrjähriger Forschungsaktivitäten<br />

als auch einen Überblick über den aktuellen Stand und zukünftige<br />

Ziele der Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet.<br />

Aufbau und Struktur<br />

von Mehrmotorenantriebssystemen<br />

Mehrmotorenantriebssysteme sind definiert als die Kombination<br />

von zwei oder mehr Motoren, die gemeinsam einen Arbeitsprozess<br />

antreiben und sich aufgrund ihrer Verkopplung in ihrem Betriebsverhalten<br />

gegenseitig beeinflussen [SHZ14]. Sofern vorhanden, zählen<br />

alle elektrischen, elektronischen und mechanischen Elemente,<br />

die am Leistungsfluss von dem elektrischen Versorgungsnetz bis zu<br />

dem Arbeitsprozess beteiligt sind, zu dem MMDS (Bild 02).<br />

Das Gesamtsystem kann in die folgenden fünf Bereiche untergliedert<br />

werden:<br />

n Das elektrische Versorgungsnetz stellt die Energiequelle – und im<br />

Falle eines rückspeisefähigen Systems ebenfalls die Energiesenke<br />

– des MMDS dar.<br />

n Der Bereich der Elektronik umfasst alle Elemente, die die von<br />

dem elektrischen Versorgungsnetz bereitgestellte Energie transformieren<br />

sowie die Komponenten der Datenverarbeitung und<br />

der Regelung. Es können sowohl Einzelumrichter für jeden Motor<br />

als auch modulare Frequenzumrichterbaureihen aus getrennten<br />

Gleichrichter- und Wechselrichtermodulen verwendet werden.<br />

Die Datenverarbeitung und die Regelung werden durch eine SPS,<br />

eine Soft-SPS, ein übergeordnetes Computersystem oder eine<br />

Kombination dieser Komponenten übernommen.<br />

n Die Motoren können elektrische Maschinen beliebiger Bauweise<br />

und beliebiger Leistungsklasse sein. Innerhalb eines MMDS können<br />

unterschiedliche Maschinenbauweisen und Leistungsklassen<br />

miteinander kombiniert werden.<br />

n Das mechanische Übertragungsglied verkoppelt die Motoren des<br />

MMDS miteinander. Dabei ist zu beachten, dass dieses nicht<br />

zwangsläufig als Getriebe ausgeführt sein muss.<br />

n Der Arbeitsprozess wird von dem MMDS angetrieben. Im allgemeinen<br />

Fall wird es sich um einen leistungsvariablen Arbeitsprozess<br />

handeln, bei dem während der Prozesszeit sowohl Drehmoment als<br />

auch Drehzahl variieren.<br />

In Abhängigkeit des mechanischen Übertragungsgliedes lassen<br />

sich die drei Verkopplungsarten<br />

n mechanisch starre Kopplung,<br />

n mechanisch elastische Kopplung und<br />

n technologische Kopplung<br />

unterscheiden [SHZ14; JBM06]. Eine mechanisch starre Kopplung<br />

liegt vor, wenn eine Approximation der gegenseitigen Beeinflussung<br />

der Motoren durch ein reines Proportionalverhalten möglich<br />

ist. Bei einer mechanisch elastischen Kopplung hingegen muss die<br />

gegenseitige Beeinflussung der Motoren durch ein ausgeprägtes<br />

PT n<br />

-Verhalten (Proportionalverhalten mit Verzögerungsanteil n-ter<br />

Ordnung) berücksichtigt werden. Eine technologische Kopplung<br />

wiederum liegt dann vor, wenn keine direkte mechanische Beeinflussung<br />

der Motoren stattfindet, sondern eine Kopplung auf informationeller<br />

Ebene existiert, wie sie z. B. bei Gelenkarmrobotern mit<br />

einem Motor je Bewegungsachse auftritt.<br />

Aufgrund dieser Definition gibt es viele unterschiedliche Ausprägungen<br />

von MMDS, die für verschiedenste Arbeitsprozesse geeignet<br />

sind. Häufig wird das mechanische Übertragungsglied ein Summa-<br />

02 Schematische Struktur eines allgemeinen MMDS<br />

tionsgetriebe sein, womit eine mechanisch starre Kopplung der<br />

Motoren vorliegt. Weiterhin werden für viele industrielle Arbeitsprozesse<br />

vornehmlich Asynchronmaschinen verwendet werden.<br />

Dieser Antriebssystemaufbau wird den Großteil der industriellen<br />

Anwendungen abdecken. Daher liegt der Fokus dieser Beitragsreihe<br />

auf derartigen Systemen.<br />

Systeminhärente Freiheitsgrade<br />

Aufgrund ihrer Struktur besitzen MMDS gegenüber SMDS erweiterte<br />

systeminhärente Freiheitsgrade, die sowohl während der<br />

Konzeptionsphase als auch während des Betriebs berücksichtigt<br />

werden müssen. Die Freiheitsgrade in der Konzeptionsphase betreffen<br />

hauptsächlich die Auswahl der zu verwendenden Komponenten.<br />

Das folgende Gedankenexperiment soll diese Freiheitsgrade<br />

veranschaulichen.<br />

Plant ein Antriebstechnikhersteller eine neue Antriebssystembaureihe<br />

mit den Nennleistungen 1 x P n<br />

und 2 x P n<br />

, so sieht das<br />

konventionelle Vorgehen für die Konzeption einer SMDS-Baureihe<br />

die Auswahl von zwei Motoren entsprechender Nennleistungen,<br />

die Auswahl der motorspezifischen Leistungselektronik und die<br />

Konzeption von zwei Getrieben vor.<br />

Wird dieselbe Baureihe hingegen unter Berücksichtigung eines<br />

MMDS-Konzeptes geplant, so werden während der Konzeptionsphase<br />

ein Motor der Nennleistung 1 x P n<br />

und ein entsprechender<br />

Frequenzumrichter ausgewählt. Zusätzlich wird ein Getriebe konzipiert,<br />

welches in zwei Varianten – mit einer oder mit zwei Eingangswellen<br />

– gefertigt werden kann (Bild 03). Die Eingangswellen<br />

und die Ausgangswelle sind dabei für beide Getriebevarianten<br />

identisch. Über das gesamte Produktportfolio hinweg muss durch<br />

eine geeignet gewählte Stufung der Baureihen sichergestellt werden,<br />

dass modularitätsbedingte Überdimensionierungen mechanischer<br />

Bauteile in möglichst geringem Umfang auftreten.<br />

Beide Ansätze sind in der Lage, die geforderte externe Variantenvielfalt<br />

bereitzustellen. Es ist allerdings ersichtlich, dass bei Verwendung<br />

des MMDS-Konzeptes eine geringere interne Variantenvielfalt<br />

und ein höherer Gleichteilegrad innerhalb der Baureihe entstehen.<br />

Hieraus resultieren für den Antriebstechnikhersteller Kostenvorteile<br />

n im Einkauf aufgrund von Skaleneffekten,<br />

n in der Produktion und Logistik aufgrund von bekannten und<br />

standardisiert handhabbaren Komponenten,<br />

n im Vertrieb durch eine gesteigerte Konfigurationsfähigkeit der<br />

Produkte und eine erhöhte Liefertreue<br />

n sowie in der internen Organisation der Leistungserstellung durch<br />

ein vereinfachtes Produktdatenmanagement.<br />

antriebstechnik 3/<strong>2016</strong> 85

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