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antriebstechnikk 3/2016

antriebstechnik 3/2016

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Auf der Kundenseite entstehen Vorteile aufgrund eines vereinfachten<br />

Ersatzteilmanagements und folglich durch eine gesteigerte<br />

Verfügbarkeit des Antriebssystems.<br />

Die Auswirkungen dieser Freiheitsgrade der Konzeptionsphase<br />

sind nur schwer allgemein zu quantifizieren und werden in der<br />

Praxis von unterschiedlichsten Faktoren abhängen. So werden<br />

beispielsweise bestehende Geschäftsbeziehungen sowie vorhandene<br />

Erfahrungen mit bestimmten Technologien einen Einfluss<br />

auf die Zusammenstellung der MMDS-Komponenten haben. Eine<br />

quantitative Aussage über die Auswirkungen auf die Kostenstruktur<br />

eines Antriebstechnikherstellers lässt sich nur anhand eines<br />

konkreten Anwendungsfalls treffen. Aus diesem Grund soll das<br />

obige Gedankenexperiment ausschließlich die Grundidee dieser<br />

Freiheitsgrade verdeutlichen. Im Folgenden wird der Fokus auf<br />

den Freiheitsgraden der Betriebsphase liegen.<br />

Während der Auslegung eines konventionellen SMDS wird durch<br />

die Berücksichtigung von Überlastfaktoren und Lastannahmen<br />

sichergestellt, dass das Antriebssystem das maximal zu erwartende<br />

Drehmoment oder die maximal zu erwartende Prozessleistung<br />

sicher generieren kann. Zusätzlich wird über Lastkollektive, thermisch-äquivalente<br />

und schädigungsäquivalente Drehmomente abgesichert,<br />

dass weder Getriebe noch Motor über ihre Grenzen hinaus<br />

belastet werden. Wird ein derartig ausgelegtes SMDS eingesetzt, so<br />

kann jeder sich während des leistungsvariablen Arbeitsprozesses<br />

einstellende Arbeitspunkt sicher realisiert werden.<br />

Wird für denselben Arbeitsprozess unter Berücksichtigung derselben<br />

Überlastfaktoren, Lastannahmen und äquivalenten Drehmomente<br />

ein MMDS ausgelegt, so ist ebenfalls sichergestellt, dass jeder<br />

Arbeitspunkt realisiert werden kann. Im Gegensatz zu einem SMDS<br />

muss in diesem Fall jedoch berücksichtigt werden, dass die Antriebsleistung<br />

des MMDS die Summe mindestens zweier Motorleistungen<br />

ist. Aufgrund dieser, aus der Struktur eines MMDS resultierenden<br />

Situation, liegt keine eindeutige Zuordnung mehr zwischen Arbeitsprozess-Arbeitspunkt<br />

und Motor-Arbeitspunkt vor (Bild 04).<br />

Der dargestellte Arbeitsprozess erfordert ein Drehmoment von<br />

50 Nm bei einer Drehzahl von 150 l/min. Aus Sicht des gesamten<br />

MMDS entspricht dieser Arbeitspunkt dem am Getriebe abtriebsseitig<br />

auftretenden Arbeitspunkt. Durch das Getriebe wird dieser<br />

auf den antriebsseitigen Arbeitspunkt mit 5 Nm Drehmoment und<br />

einer Drehzahl von 1 500 1/min transformiert. Für ein SMDS würde<br />

dieser Arbeitspunkt dem Motorarbeitspunkt entsprechen. Das<br />

MMDS besitzt jedoch zwei Motoren, sodass keine eindeutige Zuordnung<br />

zwischen dem Arbeitspunkt und den Motorarbeitspunkten<br />

besteht. Stattdessen liegt eine Lösungsmenge von Motorarbeitspunkten<br />

vor, die alle den Arbeitsprozess sicher erfüllen, solange für<br />

das betrachtete Beispiel die Nebenbedingung<br />

erfüllt ist. Somit liegt für diese Art von Antriebssystemen ein bei<br />

SMDS unbekannter Freiheitsgrad vor, der als Drehmomentverteilung<br />

bezeichnet wird.<br />

Eine weitere Fragestellung ergibt sich, sobald für die Realisierung<br />

des aktuell vorliegenden Arbeitspunktes nicht alle MMDS-<br />

Motoren benötigt werden. Der antriebsseitige Arbeitspunkt kann<br />

sowohl durch die alleinige Verwendung von Motor 1 (T 1<br />

= 8 Nm;<br />

Nenndrehmoment) als auch durch die alleinige Verwendung von<br />

Motor 2 (T 2<br />

= 5 Nm; Nenndrehmoment) realisiert werden. Die<br />

kombinierte Nutzung beider Motoren ist nicht zwingend erforderlich.<br />

Soll nur ein Motor genutzt werden, so kann der jeweils nicht<br />

benötigte Motor elektrisch abgeschaltet werden. Bei Verwendung<br />

von Asynchronmaschinen sind dabei unter der elektrischen Abschaltung<br />

die vollständige Entmagnetisierung des Motors sowie<br />

gegebenenfalls die Deaktivierung des dem Motor zugeordneten<br />

Wechselrichtermoduls zu verstehen. Durch diese Maßnahme können<br />

im Motor entstehende Verluste vermieden und die Auslastung<br />

der noch aktiv am Leistungsfluss beteiligten Komponenten erhöht<br />

werden. Sobald der Leistungs- bzw. der Drehmomentbedarf des<br />

Arbeitsprozesses wieder ansteigt, kann der zuvor abgeschaltete<br />

Motor erneut zugeschaltet werden. Diese Eigenschaft eines MMDS<br />

stellt einen weiteren Freiheitsgrad dar; die sogenannte elektrische<br />

Rekonfigurierbarkeit (Bild 05). Sie erlaubt die zur Verfügung gestellte<br />

Nennleistung dem zeitlichen Verlauf der Arbeitsprozessanforderungen<br />

anzupassen.<br />

Wann immer einer der Motoren eines MMDS elektrisch temporär<br />

abgeschaltet wird, wechselt er von einem treibenden in einen getriebenen<br />

Zustand und stellt in dem Antriebssystem somit eine passive<br />

Massenträgheit dar. Diese Situation kann erwünscht sein, sofern<br />

durch das Mitschleppen der Massenträgheit prozessbedingte Drehmomentstöße<br />

in dem Antriebssystem reduziert werden können<br />

oder der Rotor des Motors als kinetischer Energiespeicher genutzt<br />

werden soll. Die Situation kann allerdings auch unerwünscht sein,<br />

da der Rotor und der gesamte mechanische Antriebsstrang von der<br />

Motorwelle bis zu der Verzahnung mit dem Getriebesammelrad<br />

weiterhin mitlaufen und somit Verluste erzeugen, jedoch nicht zum<br />

Leistungsfluss beitragen. Durch eine geeignete Getriebekonstruktion<br />

oder die Verwendung schaltbarer Maschinenelemente kann in diesem<br />

Fall eine Entkopplung des mechanischen Teils des Antriebsstrangs<br />

von den am Leistungsfluss aktiv beteiligten Komponenten<br />

des Antriebssystems realisiert werden. Diese Eigenschaft eines<br />

MMDS stellt den dritten Freiheitsgrad dar; die sogenannte mechanische<br />

Rekonfigurierbarkeit (Bild 05).<br />

Die während des Betriebs eines MMDS relevanten Freiheitsgrade<br />

n der Drehmomentverteilung<br />

n der elektrischen Rekonfigurierbarkeit und<br />

n der mechanischen Rekonfigurierbarkeit<br />

stellen eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten eines<br />

MMDS gegenüber einem SMDS dar. Sie ermöglichen es, das Betriebsverhalten<br />

eines MMDS gezielt einzustellen. Ziel der Forschungsaktivitäten<br />

am KAt ist es, sich hieraus ergebende Anwendungspotentiale<br />

nutzbar zu machen und Anwendungsgrenzen zu<br />

identifizieren. Obwohl MMDS seit langem bekannt sind und vielfach<br />

industriell genutzt werden, werden die beschriebenen Freiheitsgrade<br />

während des Betriebs in der Regel nicht genutzt. Bisherige<br />

Forschungsarbeiten konzentrierten sich vor allem auf die<br />

Synchronisation der Motordrehmomente oder die Gleichlaufregelung<br />

der Motoren [JBM06; Jos14; Odn15]. Es sind nur vereinzelte<br />

Ansätze bekannt, die die beschriebenen Freiheitsgrade einzeln<br />

oder in Kombination nutzen [Ber15; BTS15; TLH14]. Industrielle<br />

Anwendungen, in denen Asynchronmaschinen und eine Kombination<br />

von asymmetrischer Drehmomentverteilung, elektrischer<br />

und mechanischer Rekonfigurierbarkeit zum Einsatz kommen,<br />

sind allgemein nicht bekannt.<br />

Vorteile durch eine gezielte Nutzung der systeminhärenten<br />

Freiheitsgrade<br />

Durch eine gezielte Nutzung der inhärenten Freiheitsgrade bieten<br />

MMDS einen großen Spielraum, um das Betriebsverhalten optimal an<br />

die Anforderungen des Anwenders anzupassen. Das Optimum wird<br />

dabei durch die Einhaltung eines Optimalitätskriteriums bestimmt,<br />

dass durch den Anwender selbst definiert werden muss. Beispielsweise<br />

bieten MMDS die Möglichkeit, einzelne Antriebsstränge – von dem<br />

Einspeise-Gleichrichtermodul bis zu der Verzahnung des Getriebesammelrads<br />

– gezielt auszulasten und somit die Lebensdauer des Antriebssystems<br />

positiv zu beeinflussen. Eine andere Möglichkeit besteht<br />

in der Abbildung kalter, warmer oder heißer Redundanzen und der<br />

damit verbundenen Steigerung der Ausfallsicherheit.<br />

86 antriebstechnik 3/<strong>2016</strong>

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