antriebstechnikk 3/2016
antriebstechnik 3/2016
antriebstechnik 3/2016
- TAGS
- antriebstechnik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
06 Normierter Drehmoment- und Drehzahlverlauf eines<br />
exemplarischen Kautschukmischprozesses<br />
sam gelöst werden. Es ist sicherzustellen, dass durch eine geeignete<br />
Konstruktion die MMDS-Freiheitsgrade gewinnbringend genutzt<br />
werden können und die Handhabung der Freiheitsgrade während<br />
der Betriebsphase durch geeignete Werkzeuge unterstützt wird. Aufgabe<br />
des Kunden ist es, die Arbeitsprozesse so detailliert wie möglich<br />
zu kennen und hieraus Optimalitätskriterien abzuleiten, sodass mit<br />
Hilfe der Werkzeuge Betriebsstrategien für das MMDS ermittelt<br />
werden können. In den beiden nachfolgenden Beiträgen dieser<br />
Reihe werden Ansätze aufgezeigt, mit denen eine geeignete Konstruktion<br />
eines MMDS und die Betriebsstrategien zur gezielten Nutzung<br />
der Freiheitsgrade realisiert werden können. Unabhängig von<br />
diesen Methoden lassen sich allerdings allgemeine Anforderungen<br />
an die Betriebsphase eines MMDS formulieren, die für alle MMDS<br />
Gültigkeit besitzen und erfüllt sein müssen, wenn diese Antriebssysteme<br />
eine Marktakzeptanz erreichen sollen.<br />
n Anwendungskomfort<br />
Antriebssysteme werden von ihren Anwendern als Werkzeuge zur<br />
Leistungserstellung betrachtet und sollen möglichst einfach<br />
anzuwenden sein. Konventionelle SMDS erfüllen durch eine<br />
langjährige Entwicklung diesen Anspruch. Nach der Inbetriebnahme<br />
– welche heute bereits teilautomatisiert ist – reicht die Sollwertvorgabe<br />
oder das Einschalten des Antriebssystems aus, um dieses zu<br />
nutzen. MMDS müssen mit diesem Stand der Technik konkurrieren<br />
und mindestens denselben Anwendungskomfort bieten. Aufgrund<br />
der gesteigerten Komplexität durch die zusätzlichen Freiheitsgrade<br />
würden sie ohne Hilfsmittel während der Betriebsphase jedoch<br />
einen Mehraufwand erzeugen, da der Anwender die Freiheitsgrade<br />
permanent koordinieren müsste. Um diesen Mehraufwand zu<br />
vermeiden, muss die Freiheitsgradnutzung während der Betriebsphase<br />
soweit wie möglich automatisiert werden. Eine Erweiterung<br />
dieser Anforderung kann sogar die autonome Nutzung der Freiheitsgrade<br />
durch das Antriebssystem selbst sein.<br />
n Einhaltung bekannter und üblicher Schnittstellen<br />
MMDS müssen konventionelle SMDS in bestehenden Anwendungen<br />
substituieren können oder zumindest bei der Konzeption neuer<br />
Antriebssysteme als Alternative zu SMDS in Betracht gezogen<br />
werden. Folglich müssen von SMDS bekannte und übliche Werte in<br />
den geometrischen Schnittstellen, den Abmessungen und dem<br />
Gewicht eingehalten werden.<br />
Anwendungsbeispiel: Der Kautschukmischprozess<br />
Die detaillierte Betrachtung der einzelnen Freiheitsgrade sowie die<br />
Formulierung der Ansätze zur gezielten Nutzung dieser in den beiden<br />
nachfolgenden Beiträgen wird anhand des durchgängigen Anwendungsbeispiels<br />
des Kautschukmischprozesses in einem Kautschukinnenmischer<br />
betrachtet.<br />
Kautschukinnenmischer werden für die Produktion von Reifen<br />
oder technischen Gummiwaren eingesetzt und besitzen je nach<br />
Ausführung Antriebsleistungen im Bereich von einigen 100 kW bis<br />
zu 7 MW. Das Antriebssystem treibt die in der Mischkammer befindlichen<br />
und gegenläufig rotierenden Knetwellen an. Mit diesen<br />
wird Rohkautschuk mit Synthesekautschuk und Additiven vermischt,<br />
um eine Kautschukmischung mit homogenen Produkteigenschaften<br />
und somit ein Halbzeug für die nachfolgenden Produktionsschritte<br />
herzustellen [Hof01; Sch98]. Der Mischprozess<br />
findet in unterschiedlichen Phasen statt, die beispielsweise durch<br />
das Aufbrechen des Rohmaterials oder durch eine gezielte Temperaturführung<br />
gekennzeichnet sind. Aufgrund der Prozessführung<br />
und der chemischen Reaktionen innerhalb des Mischgutes zeigt<br />
der Prozess sowohl eine variierende Drehzahl als auch ein stark<br />
variierendes Drehmoment. Bild 06 zeigt anhand einer exemplarischen<br />
Messreihe den normierten Drehmoment- und Drehzahlverlauf<br />
eines typischen Mischprozesses.<br />
Da der Mischprozess als Batchprozess (diskontinuierliche, sukzessive<br />
Verarbeitung einzelner Materialchargen begrenzten Gewichts)<br />
durchgeführt wird, werden innerhalb einer Massenproduktion mehrere<br />
Mischungen gleicher Rezeptur hintereinander durchgeführt.<br />
Hierdurch ist in nachgeschalteten Produktionsschritten ein kontinuierlicher<br />
Materialfluss gewährleistet.<br />
Dieses Anwendungsbeispiel ist aus mehreren Gründen geeignet,<br />
um die gezielte Nutzung der MMDS-Freiheitsgrade während der<br />
Betriebsphase zu erläutern. Auf der einen Seite handelt es sich um<br />
einen leistungsvariablen Arbeitsprozess, bei dem sowohl Drehzahl<br />
als auch Drehmoment während der Prozesszeit stark variieren<br />
(Bild 06). Somit muss das MMDS während der Prozesszeit mehrfach<br />
alle Freiheitsgrade nutzen, um die zur Verfügung gestellte Antriebsleistung<br />
dem Arbeitsprozess nachzuführen. Auf der anderen<br />
Seite führt das diskontinuierliche Batchverarbeitungsverfahren in<br />
Kombination mit den chemischen Reaktionen während des Mischvorgangs<br />
zu ähnlich reproduzierbaren, nicht aber zu identisch<br />
reproduzierbaren Drehmoment- und Drehzahlverläufen. Ähnlich<br />
reproduzierbar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der prinzipielle<br />
Verlauf von Drehzahl- und Drehmoment zwischen unterschiedlichen<br />
Mischungen gleicher Rezeptur erhalten bleibt. Jedoch<br />
variieren die Zeitpunkte, zu denen Drehmomentmaxima und<br />
Drehmomentminima auftreten oder der Übergang von einer in die<br />
nächste Prozessphase stattfindet. Aus diesem Grund liegt ein nicht<br />
deterministischer Arbeitsprozess vor, für den die Freiheitsgradnutzung<br />
nicht an einem deterministischen Zeitraster festgelegt<br />
werden kann. Dieses Anwendungsbeispiel repräsentiert folglich<br />
einen sehr allgemeinen und komplexen Anwendungsfall. Verfahren<br />
und Ansätze, die für dieses Anwendungsbeispiel die Einhaltung<br />
der zuvor definierten allgemeinen Anforderungen an ein MMDS<br />
ermöglichen, lassen sich daher auf eine Vielzahl anderer Arbeitsprozesse<br />
übertragen.<br />
Ausblick auf nachfolgende Beiträge<br />
Damit die Freiheitsgrade während der Betriebsphase gewinnbringend<br />
genutzt und die allgemeinen Anforderungen an MMDS eingehalten<br />
werden können, müssen einerseits durch eine geeignet<br />
ausgelegte Konstruktion des mechanischen Aufbaus ein hoher<br />
Getriebewirkungsgrad und die Möglichkeit der mechanischen<br />
Rekonfigurierbarkeit sichergestellt werden. Andererseits muss mittels<br />
einer intelligenten Betriebsstrategie gewährleistet werden, dass<br />
die Freiheitsgrade derart koordiniert und genutzt werden, dass ein<br />
unsicherer oder unerwünschter Betriebszustand vermieden und<br />
ein Optimum bezüglich der Anwenderdefinition erreicht wird.<br />
In dem zweiten Beitrag dieser Reihe wird die Optimierung der<br />
Baustruktur von MMDS-Sammelgetrieben vorgestellt. Anhand<br />
88 antriebstechnik 3/<strong>2016</strong>