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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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4.4 Amerikanische Zustände?<br />

41<br />

Für einen Teil der Ausländer wird Segregation nachlassen im Zuge ihrer sozialen <strong>und</strong><br />

ökonomischen <strong>Integration</strong>. Wahrscheinlich aber wird dies einhergehen mit einer<br />

zunehmenden Konzentration jener, die es nicht geschafft haben, in besonders<br />

benachteiligten <strong>und</strong> benachteiligenden Quartieren der Städte. Dennoch ist das<br />

Menetekel der schwarzen Ghettos amerikanischer Innenstädte auf deutsche Verhältnisse<br />

nicht übertragbar.<br />

Das Ghetto ist definiert als ein Wohngebiet, das erstens fast ausschließlich nur<br />

Angehörige einer Gruppe beherbergt. 1990 lebten 71 % der schwarzen Bevölkerung<br />

Chicagos in Wohnblocks, deren Bewohnerschaft zu mindestens 90 % schwarz war<br />

(Peach 1998, 507). In westdeutschen Städten beträgt der Anteil der Ausländer an der<br />

Bevölkerung eines Quartiers selten mehr als ein Drittel, <strong>und</strong> wenn auch jeder vierte<br />

Türke in Hannover im Ortsteil Linden wohnt, so bedeutet dies andererseits, daß drei<br />

Viertel außerhalb von Linden wohnen.<br />

Das zweite Kriterium für Ghetto ist sein Zwangscharakter: "Das Ghetto ist ein Ort<br />

unfreiwilligen, von außen aufgedrungenen Aufenthalts <strong>und</strong> gilt als Nährboden für<br />

besondere Daseins- <strong>und</strong> Sozialformen, die in der umgebenden Gesellschaft dann als<br />

Rechtfertigung erneuter Distanzierung genommen werden. Das Ghetto ist eine Falle, in<br />

die man gerät <strong>und</strong> in der man dann gefangen ist" (Fijalkowski 1988, 9).<br />

Auf absehbare Zeit sind amerikanische Verhältnisse selbst unter pessimistischen<br />

Annahmen in Deutschland nicht zu erwarten. Einmal, weil die <strong>ethnische</strong>n Minoritäten<br />

kleiner <strong>und</strong> weniger sichtbar sind als in den Vereinigten Staaten. Zweitens, weil<br />

Immigration hier sehr viel jüngeren Datums ist, Segregation aber lange Zeit braucht.<br />

Drittens, weil der deutsche Sozialstaat im Vergleich zu den Vereinigten Staaten weit<br />

wirksamer ist. In den sozialen Wohnungsbauquartieren an der Peripherie westdeutscher<br />

Städte zeigen sich Ansätze einer ‚Sozialstaatsbevölkerung‘, d.h. einer Bevölkerung, die<br />

in Sozialwohnungen wohnt, von Sozialtransfers ihren Unterhalt bestreitet <strong>und</strong> von<br />

staatlich angestellten Gemeinwesenarbeitern betreut wird. Das bislang noch sichtbarste<br />

Zeichen eines ‚Problemgebiets‘ sind die Schilder, wie man sie in manchen sozialen<br />

Wohnbauquartieren finden kann, auf denen die Vielzahl der Betreuungsinstitutionen<br />

verzeichnet sind: Mütterberatung, Kinderkrippe, Drogenberatung, Nachhilfe,<br />

Arbeitsvermittlung, Caritas, AWO, Kirchengemeinde... Aber diese<br />

Betreuungsinstitutionen sind nicht nur zahlreicher <strong>und</strong> effektiver als in den USA. In<br />

Deutschland vermittelt Abhängigkeit vom Sozialstaat auch kein vergleichbares Stigma<br />

wie in den Vereinigten Staaten (Zukin 1998, 516).<br />

Das amerikanische Schwarzenghetto ist ein überdeterminierter Ort, gekennzeichnet<br />

durch ökonomische, physische <strong>und</strong> ästhetische Prozesse der Entwertung, rassistische<br />

Diskriminierung, massive Arbeitslosigkeit, miserable Versorgung mit sozialer<br />

Infrastruktur, illegalem Drogenhandel, niedriger Selbstachtung, einem Klima der<br />

Furcht, der physischen <strong>und</strong> verbalen Aggression (Zukin 1998, 513f). Die heutigen

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