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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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städtischer Flächennutzungsplanung als Reaktion auf die Klassenspaltung der<br />

englischen Städte, die Friedrich Engels in seiner Schrift ‚Zur Lage der arbeitenden<br />

Klasse‘ beschrieben hatte. Hobrecht, der Verfasser des großen Stadterweiterungsplanes<br />

für Berlin vor der Gründerzeit, verband mit der Mischung der sozialen Klassen auf<br />

einem Gr<strong>und</strong>stück die Hoffnung, daß damit auch Solidarität <strong>und</strong> gegenseitige Hilfe<br />

angeregt werde (vgl. Hoffmann-Axthelm 1993). Die Realität der Stadtentwicklung sah<br />

jedoch anders aus: die von privaten Unternehmern gebauten Vorstädte richteten sich<br />

strikt an der Kaufkraft derjenigen Gruppen aus, die sie als potentielle K<strong>und</strong>en im Auge<br />

hatten. Dadurch entstanden extrem segregierte Quartiere <strong>und</strong> Stadtteile.<br />

Erst der soziale Wohnungsbau in der Weimarer Republik <strong>und</strong> in den 50er <strong>und</strong> 60er<br />

Jahren der B<strong>und</strong>esrepublik hat eindeutig desegregierende Wirkungen gehabt. Der<br />

gegenwärtig sich vollziehende Funktionswandel des sozialen Wohnungsbaus zum<br />

Auffangnetz für Notfälle hat zusammen mit seiner quantitativen Reduktion dem ein<br />

Ende bereitet.<br />

Mit dem Argument, dies diene der Desegregation, werden immer wieder Quotierungen<br />

<strong>und</strong> Zuzugssperren für Ausländer in bestimmten Quartieren gefordert. Diese können im<br />

Interesse von Wohnungseigentümern sein, die möglichst ‚gute Mieter‘ in ihren<br />

Beständen haben wollen, d.h. Mieter, die die Sicherheit der Mietzahlung garantieren,<br />

die mit der Wohnung schonend umgehen <strong>und</strong> sich mit anderen Bewohnern verträglich<br />

zeigen. Ausländer gelten vor allem mit Bezug auf letzteres Kriterium als Risikomieter.<br />

Wohnungsbaugesellschaften, auch solche in öffentlichem Eigentum, haben daher zu<br />

Zeiten als noch Wohnungsknappheit herrschte, andere Mieter vorgezogen <strong>und</strong> teilweise<br />

Wohnungen sogar lieber leer stehen lassen, als sie an ausländische Haushalte zu<br />

vermieten.<br />

Quotierungen <strong>und</strong> Zuzugssperren sind aber in keinem Fall im Interesse der Zuwanderer.<br />

Unter Gesichtspunkten der <strong>Integration</strong> dürften die Wirkungen zweifelhaft oder sogar<br />

negativ sein. Eine breitere Verteilung der Ausländer im Stadtgebiet würde dadurch eher<br />

verhindert, denn Ausländern werden, indem man bestimmte Bestände für sie sperrt, ja<br />

keine neuen Wohnmöglichkeiten anderswo eröffnet. Quotierungen <strong>und</strong> Zuzugssperren<br />

haben in erster Linie den Effekt, die geringen Wahlmöglichkeiten von Ausländern auf<br />

dem Wohnungsmarkt zusätzlich einzuengen. Unter den für das untere<br />

Wohnungsmarktsegment typischen Bedingungen der Wohnungsknappheit bedeuten<br />

Zuzugssperren <strong>und</strong> Quotierungen, daß ein eh schon unzureichendes Angebot an<br />

Wohnungen für eine bestimmte Gruppe von Nachfragern willkürlich zusätzlich verengt<br />

wird. Die Berliner Erfahrungen mit der Zuzugssperre für bestimmte Bezirke in den 70er<br />

<strong>und</strong> 80er Jahren zeigen außerdem die Unwirksamkeit solcher Maßnahmen:<br />

Familienzusammenführungen können aus Gründen der Menschenrechte nicht verhindert<br />

werden, <strong>und</strong> die Zuwanderung heute besteht ja überwiegend aus Familienwanderung.<br />

Selbst wenn dies zukünftig wieder anders sein sollte, ist mit solchen Restriktionen, die<br />

faktisch leicht umgangen werden können, Stigmatisierung, aber keine Verbesserung der<br />

<strong>Integration</strong>schancen verb<strong>und</strong>en.

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