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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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Ausweichen haben, wird es dadurch, daß sie keine Wahl haben, nicht einfacher. Und<br />

der Weg, sich – nach Simmelscher Methode – durch seelische Panzerung <strong>und</strong><br />

Gleichgültigkeit gleichsam ‚nach innen‘ zu entfernen, bleibt Menschen, die sich<br />

insgesamt in einer prekären sozialen Lage befinden <strong>und</strong> die von Existenzsorgen geplagt<br />

sind, ebenso versperrt.<br />

In den Quartieren, die Zuwanderern zugänglich sind, treffen sie in der Regel auf eine<br />

segregierte deutsche Bevölkerung, die vom Strukturwandel der städtischen Ökonomie<br />

negativ betroffen ist <strong>und</strong> die auch mit zahlreichen anderen sozialen Problemen zu leben<br />

hat: Haushalte mit niedrigem Einkommen, gering Qualifizierte, Langzeitarbeitslose,<br />

verarmte Alleinstehende, Suchtkranke – Bewohner, deren Existenzgr<strong>und</strong>lagen ins<br />

Rutschen gekommen sind <strong>und</strong> die nur noch wenig Anlaß haben, an eine bessere Zukunft<br />

zu glauben. Das Quartier wird gleichsam zum letzten Rückzugsort.<br />

Die negativen Veränderungen der persönlichen Situation fallen nun zusammen mit<br />

Veränderungen der Wohnumwelt: einerseits verlassen immer mehr Bewohner, die noch<br />

über ein gesichertes Einkommen verfügen, die Gegend, <strong>und</strong> das Gefühl verbreitet sich,<br />

daß es ‚abwärts geht‘. Sichtbare Zeichen dafür sind leerstehende Läden <strong>und</strong> die<br />

Verwahrlosung der öffentlichen Räume. In einem ‚heruntergekommenen Viertel‘ leben<br />

zu müssen, überträgt sich als Stigma auf die eigene Persönlichkeit – Unzufriedenheit<br />

mit sich <strong>und</strong> der Umwelt, Wut über die Ausgrenzung durch ‚die anderen‘ machen sich<br />

breit.<br />

In einem solchen Quartier zu wohnen, macht Angst – soziale Angst, weil die<br />

Befürchtung besteht, vom Sog der Marginalisierung ergriffen zu werden. Wer kann,<br />

zieht weg, <strong>und</strong> in die frei gewordenen Wohnungen ziehen nun diejenigen ein, die<br />

ebenfalls keine andere Wahl haben: Migranten. Das Gefühl der Bedrohung, der<br />

Marginalisierung wird dadurch gesteigert. Die kulturelle Differenz wird als kulturelle<br />

Unterlegenheit interpretiert, schon um den eigenen sozialen Abstieg zu kaschieren.<br />

Wenn sich nun die Zeichen der neu zuziehenden Kultur auch im Straßenraum zeigen –<br />

in Form von Läden, Restaurants oder Versammlungsstätten, wird der Zuzug von<br />

Fremden gleichsam als Besetzung erlebt <strong>und</strong> dementsprechend besonders heftig mit<br />

Abwehr reagiert. Anlässe dazu bieten sich genug – entweder durch kulturelle<br />

Mißverständnisse <strong>und</strong> Unverträglichkeiten, die sich etwa aus unterschiedlichen<br />

Zeitstrukturen der Alltagsorganisation ergeben, oder durch Konflikte mit aggressiv<br />

auftretenden Jugendlichen, die durch mangelnde Ausbildungs- <strong>und</strong><br />

Arbeitsmöglichkeiten in größerer Zahl die öffentlichen Plätze dominieren <strong>und</strong> sich diese<br />

Räume symbolisch aneignen. Sie verstärken dadurch die kulturelle Differenz <strong>und</strong> ernten<br />

dafür am wenigsten, was sie am stärksten begehren: als gleichwertige Nachbarn<br />

respektiert zu werden.<br />

Die Veränderungen der äußeren Erscheinung des Stadtraums durch das Auftreten von<br />

fremdländisch wirkenden Menschen wird von der einheimischen Restbevölkerung als<br />

Enteignung <strong>und</strong> als Identitätsverlust erlebt. Die Fremden dienen als Sündenböcke, wo<br />

ihr Zuzug zeitlich zusammentrifft mit dem eigenen beruflichen Abstieg <strong>und</strong> dem

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