Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
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In der Einwandererstadt müssen sie toleriert werden. Statt sie abschaffen zu wollen,<br />
ginge es vor allem darum, ihre Funktionsfähigkeit als ‚Schleuse‘ in die Gesellschaft der<br />
Einheimischen zu sichern.<br />
Für den individuellen Zuwanderer ist die <strong>ethnische</strong> Kolonie nämlich im Idealfall ein<br />
Übergangsort. Das aber heißt gerade nicht, daß die <strong>ethnische</strong> Kolonie selber als Ort <strong>und</strong><br />
als gesellschaftliche Institution etwas Vorübergehendes wäre. Am Bild des Wartesaals<br />
in einem Bahnhof kann man dies verdeutlichen: er ist eine Dauereinrichtung <strong>und</strong> er ist<br />
immer voll, solange es Bahnreisende gibt, aber keiner bleibt dauerhaft darin sitzen. Den<br />
Wartesaal abzuschaffen, hieße, das Reisen zu erschweren. Blieben die Benutzer<br />
dauerhaft darin sitzen, wäre es kein Wartesaal mehr, sondern ein Gefängnis.<br />
Da Deutschland auf absehbare Zeit Einwanderungsland sein wird, werden die deutschen<br />
Städte auch auf absehbare Zeit segregierte Einwandererquartiere <strong>und</strong> <strong>ethnische</strong><br />
Kolonien ausbilden. Sie verhindern zu wollen, wäre aussichtslos <strong>und</strong> obendrein<br />
integrationsfeindlich. Die Politik hat die Aufgabe, die Rolle von Einwandererquartieren<br />
als Schleusen zu sichern, d.h. sowohl die Zugänge offen zuhalten wie die Ausgänge in<br />
die Einwanderungsgesellschaft.<br />
Für die Stadtpolitik ist es vor allem wichtig, rechtzeitig Konflikte <strong>und</strong> Prozesse der<br />
Isolation <strong>und</strong> Ausgrenzung zu erkennen <strong>und</strong> möglichst früh zu unterbrechen. Dazu ist<br />
ein Frühwarnsystem nötig. Ein wirksames Frühwarnsystem wird sich allerdings nicht<br />
allein auf Auswertungen amtlicher Daten stützen können. Notwendig wären genauere<br />
<strong>und</strong> zeitnahere Beobachtungen <strong>und</strong> Analysen unter Mitwirkung von Vertretern der<br />
Migrantenpopulation, um die dortige soziale Wirklichkeit genauer erkennen zu können.<br />
Dazu gehören ferner regelmäßige Befragungen von Experten aus dem Quartier, aus dem<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen, der Polizei, dem Schulsystem, der Sozialarbeit.<br />
8.2.3 <strong>Integration</strong>spolitik<br />
Das Konzept einer ‚kulturautonomen <strong>Integration</strong>‘ bedeutet, daß Multikultur als<br />
‚Normalität von Stadtgesellschaften‘ (Rex 1998) erkannt <strong>und</strong> organisatorisch unterstützt<br />
wird (vgl. auch Sandel 2000). Es ist ein schwieriges Problem, zugleich staatliche<br />
Abstinenz zum Schutz der Minderheiten <strong>und</strong> staatliche Leistungen für die Förderung<br />
der kulturellen Eigenständigkeit sicherzustellen. <strong>Integration</strong> in „differenzempfindlicher<br />
Weise“ (Habermas 1996, 172ff) heißt, Möglichkeiten der Binnenintegration lassen <strong>und</strong><br />
stützen <strong>und</strong> zugleich Respekt gegenüber der fremden wie gegenüber der<br />
Mehrheitskultur zu fordern. Migranten müssen die „Möglichkeiten autonomer<br />
Entscheidungen über die Aufrechterhaltung <strong>und</strong> Weiterentwicklung der jeweiligen<br />
kulturellen Lebensformen“ (Habermas 1996) gegeben werden<br />
Nicht gelingende <strong>Integration</strong> hat mindestens zwei Akteure: die Migranten <strong>und</strong> die<br />
Mehrheitsgesellschaft. Beide Seiten müssen bereit sein <strong>und</strong> aktiv werden, um die<br />
bekannten Defizite zu überwinden. Die Stadtpolitik kann dazu Hilfestellungen geben,<br />
aber sie kann diesen Prozeß nicht allein steuern. Da <strong>Integration</strong> keine Einbahnstraße ist,