Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
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6. Zur Kritik der Segregationsdiskussion<br />
6.1 Das historische Erbe in der Debatte über Segregation<br />
Die Kontroverse ist alt <strong>und</strong> ungelöst – die Frage, soll man verschiedene<br />
Bevölkerungsgruppen eher trennen oder mischen, beschäftigt Stadtpolitiker, Stadtplaner<br />
<strong>und</strong> Sozialwissenschaftler seit der Zeit, seit durch öffentliche Planung die<br />
sozialräumliche Struktur von Städten beeinflußt werden konnte – <strong>und</strong> dann auch sollte.<br />
Die Konzepte des modernen Städtebaus wurden ja vor allem in Europa entwickelt, wo<br />
es seit Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts einen starken Einfluß des Staates auf den Städte<strong>und</strong><br />
Wohnungsbau gegeben hat. Die Vorstellung, man könne <strong>und</strong> solle die<br />
sozialräumliche Struktur der Städte gleichsam am Reißbrett komponieren <strong>und</strong> durch<br />
Sozialplanung umsetzen, ist vor allem eine europäische Idee.<br />
Dabei ging es – soweit es um soziale Fragen ging - ausschließlich darum, ob man<br />
Quartiere für das Zusammenleben von verschiedenen sozialen Schichten konzipieren<br />
oder ob man eine Absonderung der Schichten in verschiedenen Quartieren zulassen<br />
solle. In den Neubaugebieten der europäischen Städte gab es in der Regel die die<br />
amerikanischen Städte so quälenden Rassenkonflikte nicht, es ging also allein um das<br />
räumliche Management der sozialen Differenzierung in den modernen Städten. Und im<br />
Aufbruch zur ‚modernen‘ Gesellschaft, war vor allem unter dem Einfluß der Theorie<br />
des Fordismus (vgl. <strong>Stiftung</strong> Bauhaus Dessau 1995) die Perspektive der Gleichheit<br />
leitend, denn durch die Produktivitätssteigerungen der modernen<br />
Produktionsorganisation erschien die Trennung der Gesellschaft in Klassen <strong>und</strong><br />
Schichten als überwindbar. Der Städte- <strong>und</strong> Wohnungsbau, in dem die Spaltungen der<br />
historischen Stadt aufgehoben sein sollten, wurde selbst zu einem Instrument der<br />
Gesellschaftsgestaltung. Die Mischung von Berufs- <strong>und</strong> Einkommensgruppen in den<br />
Siedlungen war damit zu einer selbstverständlichen Gr<strong>und</strong>lage der Stadtplanung<br />
geworden. So sollte der ‚Neuen Gesellschaft‘ buchstäblich eine ‚Neue Heimat‘ gegeben<br />
werden, <strong>und</strong> diese gebaute Heimat sollte die neue gerechtere Gesellschaft befördern.<br />
Der Städtebau wurde Teil einer gr<strong>und</strong>legenden gesellschaftlichen Erneuerung, die sich<br />
auch im Einbezug der Arbeiterbewegung in die nationale <strong>und</strong> lokale Politik<br />
manifestierte. Der sichtbarste Ausdruck der Klassenspaltung war im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert die<br />
Entstehung der Arbeiterviertel in den Städten, die hinsichtlich der Bewohnerdichte <strong>und</strong><br />
der Ausstattung der Wohnungen in scharfem Kontrast zu den bürgerlichen<br />
Wohngegenden <strong>und</strong> Villenvierteln standen. Gegen diese ‚Klassenstadt‘, der von<br />
bürgerlichen <strong>und</strong> kirchlichen Kritikern nicht nur politische, sondern auch zahlreiche<br />
soziale <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Gefahren attestiert wurden, richteten sich die neuen<br />
sozialräumlichen Konzepte. Mit der Parole ‚soziale Mischung‘ sollte soziale<br />
Ungleichheit bekämpft oder zumindest weniger sichtbar gemacht werden.<br />
Umgesetzt wurden diese Vorstellungen zunächst in den maßstäblich noch kleinen<br />
Stadterweiterungen zwischen den zwei Weltkriegen (vgl. Herlyn et al. 1987), im großen