Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
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ökonomische, soziale, politische <strong>und</strong>/oder kulturelle Entwicklung zu fördern" (Marcuse<br />
1998, 186). Größere, segregiert siedelnde <strong>ethnische</strong> Gemeinschaften können<br />
Parallelgesellschaften bilden, die im Extremfall über ein eigenes Territorium, eigene<br />
Versorgungseinrichtungen, Schulen, Zeitungen, Kirchen, Vereine, Arbeitsstätten <strong>und</strong><br />
Verwaltungsorgane sowie Gerichtsbarkeit <strong>und</strong> Polizei verfügen.<br />
Der <strong>ethnische</strong>n Enklave werden, soweit sie eine freiwillig gewählte <strong>und</strong> vorübergehende<br />
Formation darstellt, positive Funktionen zugeschrieben: Stärkung der Identität, die<br />
durch den gemeinsam besetzten Raum gestützt wird, Produktion von Gütern <strong>und</strong><br />
Dienstleistungen, die den eigenen Bedürfnissen angepaßt sind, Beschäftigungs- <strong>und</strong><br />
Aufstiegsmöglichkeiten, Basis für kulturelle Entwicklungen <strong>und</strong> politische<br />
Selbstorganisation. Damit kann die <strong>ethnische</strong> Enklave die Voraussetzungen für eine<br />
allmähliche <strong>Integration</strong> in die Aufnahmegesellschaft verbessern, denn nur auf der Basis<br />
einer halbwegs gesicherten Identität ist eine offene Auseinandersetzung mit einer<br />
fremden Kultur möglich.<br />
Dieses positive Bild ist allerdings einseitig, die Koloniebildung hat auch ihre<br />
Kehrseiten. Zwar können <strong>ethnische</strong> Kolonien ihre Mitglieder ökonomisch, psychisch<br />
<strong>und</strong> sozial stabilisieren, sie können aber auch zu <strong>Integration</strong>s-Fallen werden durch<br />
scharfe Kontrolle darüber, daß sich einzelne Mitglieder nicht an die Kultur der<br />
aufnehmenden Gesellschaft anpassen, was, aus welchen Gründen auch immer, für<br />
unerwünscht gehalten wird. Dies ist in Deutschland z.B. insbesondere bei türkischen<br />
Migrantinnen der Fall, denen eine Übernahme der ‚westlichen‘ Frauenrolle verwehrt<br />
werden soll.<br />
Die Ausbildung <strong>ethnische</strong>r Institutionen kann auch dazu führen, daß soziale Mobilität<br />
sich ausschließlich innerhalb der <strong>ethnische</strong>n Gemeinschaft <strong>und</strong> damit in einem sehr<br />
beschränkten Rahmen bewegt. In diesen Fällen wirkt die <strong>ethnische</strong> Kolonie als<br />
"Mobilitätsfalle" (Esser 1986). <strong>Soziale</strong> Mobilität vollzieht sich nur innerhalb der<br />
Parallelinstitutionen der Einwanderergesellschaft, deren Mitglieder auf eine <strong>Integration</strong><br />
in die sehr viel differenziertere Aufnahmegesellschaft verzichten, nicht selten auch in<br />
resignierter Selbstbescheidung mit dem Leben innerhalb der <strong>ethnische</strong>n Kolonie. Ihre<br />
Eliten können einerseits als Brücken <strong>und</strong> Katalysatoren fungieren, die den jüngst<br />
Zugewanderten den Einstieg in die fremde Gesellschaft erleichtern, also gleichsam als<br />
Pfadfinder in die Fremde, andererseits können sie aber auch die Migranten in der Falle<br />
einer <strong>ethnische</strong>n Subkultur festhalten (Fijalkowski 1988, 39). Im schlimmsten Fall<br />
können Isolation, versagte <strong>Integration</strong>schancen zusammen mit den positiven Leistungen<br />
der <strong>ethnische</strong>n Kolonie für die Zuwanderer zu einer Parallelgesellschaft mit mafiosen<br />
Strukturen führen (Heitmeyer 1998, 447ff). Ähnliche Gefahren sieht Kapphan (1997,<br />
133) für die russische <strong>ethnische</strong> Ökonomie in Berlin, allerdings ohne daß dies zu einer<br />
"Mobilitätsfalle" führe.<br />
Übereinstimmend wird in der Literatur diese Ambivalenz der <strong>ethnische</strong>n<br />
Koloniebildung betont. Sie kann als ökonomische <strong>und</strong> sozialpsychologische Basis<br />
dienen, von der aus <strong>Integration</strong> gelingt, aber ebenso als Blockade der <strong>Integration</strong>