Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
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Gruppen, die neben- oder miteinander leben, auch (aufgr<strong>und</strong> eines ähnlichen<br />
Lebensstils) ohne intensive Kommunikation verstehen oder gar gemeinsame Interesse<br />
haben. Wenn noch hinzu kommt, daß die einheimische Bevölkerung die wachsende<br />
Präsenz von Ausländern im Wohngebiet als Anzeichen für einen sozialen Abstieg<br />
wahrnehmen, weil sie eigene Verlusterfahrungen (z.B. durch Arbeitslosigkeit) gemacht<br />
haben, dann ist die gegenseitige Respektierung der unwahrscheinliche Fall.<br />
Überdies findet die Kohabitation von einheimischen Modernisierungsverlierern <strong>und</strong><br />
Zuwanderern in Quartieren statt, die aufgr<strong>und</strong> ihrer sozialen Zusammensetzung – <strong>und</strong><br />
im Fall von Großwohnsiedlungen zusätzlich aufgr<strong>und</strong> ihrer Lage <strong>und</strong> ihrer<br />
städtebaulichen Merkmale – wenig Ressourcen für die Bewohner bereithalten.<br />
Im Kapitel 7 werden die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer <strong>ethnische</strong>n Kolonie am Beispiel der<br />
‚<strong>ethnische</strong>n Ökonomie‘ beschrieben <strong>und</strong> diskutiert.<br />
9.3 Politische Folgerungen<br />
Als allgemeiner Gr<strong>und</strong>satz wird formuliert: freiwillige Segregation sollte nicht<br />
behindert werden, der Übergang aus der Kolonie in die Mehrheitsgesellschaft aber mit<br />
allen Mitteln gefördert werden. Das führt zu der Empfehlung, eine Linie lokaler Politik<br />
zu suchen, die sich auf dem schmalen Grat bewegt, der zwischen einer Förderung der<br />
Selbstorganisation (<strong>und</strong> damit der Kolonie) <strong>und</strong> der Förderung der individuellen<br />
<strong>Integration</strong> (<strong>und</strong> damit der Auflösung der Kolonie) bewegt. Während die Kolonie als<br />
Institution dann immer bestehen bliebe, würden die Individuen durch sie<br />
hindurchwandern <strong>und</strong> nicht strukturell ausgegrenzt. Die Kolonie hätte dann die<br />
Funktion einer Durchgangsstation, wie sie in jeder Einwanderungsstadt unvermeidlich<br />
<strong>und</strong> notwendig ist.<br />
Eine Konsequenz aus dieser Linie der <strong>Integration</strong>spolitik wäre eine ‚kulturautonome<br />
<strong>Integration</strong>‘, die darauf verzichtet, die (ohnehin wirkungslose) Bekämpfung von<br />
<strong>ethnische</strong>r Segregation anzustreben, <strong>und</strong> stattdessen sowohl Selbstorganisation als auch<br />
interkulturelle Organisationen zu unterstützen.<br />
9.4 Empfehlungen<br />
Hinweise auf einzelne Elemente einer solchen Stadtpolitik werden im Kapitel 8<br />
gegeben. Damit müßte allerdings die bis heute oberste Priorität, <strong>ethnische</strong><br />
Konzentrationen vermeiden zu wollen, zugunsten einer multikulturellen Stadt<br />
aufgegeben werden. Auf der einen Seite müßte also die soziale Segregation wegen ihrer<br />
negativen Folgen für die Bewohner von ausgegrenzten Quartieren bekämpft werden, die<br />
<strong>ethnische</strong> jedoch zugelassen <strong>und</strong> durch entsprechende Angebote zu einer nur<br />
temporären Heimat für die Zuwanderer verwandelt werden. Wenn die Überlagerung<br />
von <strong>ethnische</strong>r <strong>und</strong> sozialer Segregation verhindert werden kann, kann auch die soziale<br />
<strong>und</strong> politische Fragmentierung der Stadt verhindert werden. Dies ist allerdings nur<br />
möglich, wenn die Mehrheitsgesellschaft die Wege für die individuelle <strong>Integration</strong> von<br />
Zuwanderern offen hält.