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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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Es ist – wie Umfragen gezeigt haben – keineswegs so, daß alle Ausländer in stark<br />

segregierten Ausländervierteln wohnen wollen – aber eine freie Wahl hatten sie bisher<br />

selten. In der Bevölkerungsbefragung der vergleichenden Stadtstudie von Heitmeyer<br />

<strong>und</strong> Anhut gaben 16,9 % in Marxloh <strong>und</strong> 26,6 % in Bruckhausen an, woanders keine<br />

Wohnung gef<strong>und</strong>en zu haben. Aber 56 % der befragten Türken in Marxloh <strong>und</strong> 56,9 %<br />

in Bruckhausen gaben an, wegen Bekannter <strong>und</strong> Verwandter dorthin gezogen zu sein.<br />

Ihre Konzentration in Bruckhausen deuten die türkischen Befragten mit zwei Mustern:<br />

es sei der eigene Wunsch, dort zu wohnen oder es sei Ergebnis von Diskriminierung:<br />

die Deutschen trieben die Türken in Ghettos (!). Beide Male steht das Handeln von<br />

Personen im Vordergr<strong>und</strong>, anonyme Prozesse des Wohnungsmarktes werden<br />

personalisiert. „Bei diesen Deutungen schwingen oft unüberhörbar die Ängste der<br />

Fremden mit. ... (Der) Vergleich zum Schicksal der Juden in Deutschland (wird) sehr<br />

oft (gezogen)... Die <strong>ethnische</strong> Konzentration wird nicht als Folge von komplexen<br />

Prozessen betrachtet, sondern infolge einer diffusen Angst als beabsichtigte<br />

Entwicklung gedeutet“ (Teczan 2000, 421).<br />

Erzwungene Desegregation ist nicht besser als erzwungene Segregation. Die<br />

Stadtpolitik sollte freiwillige Segregation nicht bekämpfen wollen, sollte Abstand<br />

nehmen vom illusorischen <strong>und</strong> schädlichen Ziel einer Verteilung der Zuwanderer über<br />

das Stadtgebiet <strong>und</strong> statt dessen sozialpolitische Maßnahmen dort konzentrieren, wo<br />

Ausländer jeweils wohnen. Mit der Sicherung von billigen Wohnungen an möglichst<br />

vielen unterschiedlichen Standorten <strong>und</strong> mit einer Unterstützung der freien<br />

Wohnstandortwahl durch höhere Wohngeldzahlungen wäre allen besser geholfen –<br />

zumal da auch die diskriminierende Wirkung gegenüber Zuwanderern als Mieter<br />

entfiele, die unweigerlich mit dem administrativen Versuch, sie wie eine ansteckende<br />

Krankheit zu isolieren, verb<strong>und</strong>en ist.<br />

8.2.2 Einwandererquartiere<br />

Aus der Überlagerung der negativen Effekte einer schwachen Position auf dem<br />

Wohnungsmarkt <strong>und</strong> der positiven Funktionen <strong>ethnische</strong>r Kolonien für neu<br />

Zugewanderte entstehen in Einwanderungsstädten unausweichlich<br />

Einwandererquartiere. Sie werden sich auch in deutschen Städten herausbilden. Solche<br />

Quartiere werden immer von anderen Quartieren in der Stadt auffällig abweichen, weil<br />

ihre Bewohner noch nicht in die Systeme von Arbeits- <strong>und</strong> Wohnungsmarkt <strong>und</strong> auch<br />

noch nicht in das Sozialsystem integriert sind. Insofern sind es Orte der Fremdheit, was<br />

die Lebensweise angeht – <strong>und</strong> wegen der Armut der Zuwanderer <strong>und</strong> der häufigen<br />

Konflikte mit benachbarten Deutschen in problematischen Lebenslagen sind es in den<br />

Augen der Verwaltung auch ‚Problemgebiete‘.<br />

Die amerikanischen Soziologen, die Einwanderungsquartiere als erste systematisch<br />

untersucht haben, sahen darin notwendige Durchgangsstationen im Prozeß der<br />

<strong>Integration</strong>. Sie dienen als erste Anlaufstation, als Stützpunkt <strong>und</strong> als Schutz vor<br />

Konflikten durch räumliche Distanz. Diese Quartiere bleiben solange bestehen, wie es<br />

Zuwanderung gibt, da sich ihre Funktion mit jeder neuen Zuwanderungswelle erneuert.

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