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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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Ereignissen, die sich in der Türkei abspielten, bezogen sich aus deutscher Sicht auf<br />

außenpolitische Probleme. In jüngerer Zeit sind jedoch religiös geprägte Gruppen<br />

stärker im öffentlichen Raum präsent. Mit ihnen tauchen dauerhaft präsente Symbole<br />

(Minarette, Moscheen, Kopftücher, der Gebetsruf des Muezzin) auf, „die den sozialen<br />

Raum symbolisch verändern <strong>und</strong> besonders von den deutschen Alteingesessenen in<br />

ihren vertrauen Orten als Herausforderung interpretiert werden“ (Teczan 2000, 411).<br />

Versuche, religiöse Symbole des Islam im öffentlichen Raum zu etablieren, sind<br />

wahrscheinlich überall umstritten. Besondere Ablehnung <strong>und</strong> aggressive Reaktionen<br />

lösen in der Regel Vorhaben aus, eine Moschee in einem Quartier zu errichten.<br />

Moscheen wecken leicht deshalb Aggressionen, weil Islam gerne – <strong>und</strong> falsch – mit<br />

F<strong>und</strong>amentalismus identifiziert wird. Das erschwert eine gelassene Betrachtung.<br />

In Köln verzeichnet der Islam die zweitgrößte Mitgliederzahl, aber sichtbar repräsentiert<br />

ist diese Religion nicht. Eine ‚Zentralmoschee‘, vergleichbar dem Dom, wäre allerdings<br />

ohnehin nicht möglich, denn der Islam ist keine einheitliche ‚Kirche‘, vielmehr besteht<br />

eine Pluralität von Richtungen, die sich in verschiedenen Moscheenvereinen<br />

manifestiert. Von den 200.000 Türken in Berlin sind ca. 20 % Mitglieder in<br />

Moscheenvereinen. Moscheenvereine haben eine wachsende Bedeutung in der<br />

Gemeinschaftskonstruktion türkischer Kolonien, weil mit den Schwierigkeiten der<br />

systemischen <strong>Integration</strong> (Arbeitsmarkt) die Identitätsprobleme zunehmen, <strong>und</strong> die<br />

Religion Angebote für Selbstvergewisserung <strong>und</strong> Sinngebung macht. In einer sich<br />

modernisierenden Welt, in der die Anforderungen an den Einzelnen ständig steigen, die<br />

<strong>Integration</strong>sfähigkeit der Aufnahmegesellschaft – teilweise aus denselben Gründen –<br />

aber zurückgeht, übernehmen die Moscheenvereine „eine wichtige Rolle zur<br />

Stabilisierung der Identität, zur Vermittlung von Werten <strong>und</strong> Normen, die das Leben im<br />

Spannungsfeld zweier Kulturen überhaupt erst ermöglicht“ (Kapphan 1999, 14).<br />

Leggewie (1993) hat die Moschee als „islamisches Bürgerhaus“ bezeichnet, das<br />

„leistungsunabhängige <strong>Integration</strong>sangebote“ (Heitmeyer u.a. 1997) macht. Ein großer<br />

Teil der Moscheen hat eine integrative Funktion durch Sozialarbeit, Bildungsarbeit <strong>und</strong><br />

Hilfen für den Alltag: Deutsch-, Nachhilfe-Unterricht, Hausaufgabenbetreuung,<br />

Steuerberatung, Umgang mit Behörden, die Chancen der jüngeren Mitglieder auf dem<br />

Arbeitsmarkt verbessern, arbeitslosen oder verrenteten Männern, die keine Rolle im<br />

Haushalt haben, einen Platz bieten. Die Moscheenvereine sind jedoch fast immer in<br />

finanzieller Not. Auf sie kommen mit der wachsenden Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> mit der<br />

Alterung der Bevölkerung umfangreichere soziale Aufgaben zu, aber bei sinkenden<br />

Einkommen eben auch weniger Spenden.<br />

Die Moscheenvereine, die unterschiedliche soziale Gruppen ansprechen, können, wenn<br />

sie von der Aufnahmegesellschaft unterstützt werden, Brücken zur gesellschaftlichen<br />

Umwelt bilden. Sie scheinen sich – wenigstens teilweise, wie eine kleine Untersuchung<br />

in Berlin zeigte (Jonker/Kapphan 1999) - zunehmend der nachbarlichen Öffentlichkeit<br />

zu öffnen <strong>und</strong> suchen Kontakte. Möglicherweise verbessert sich ihre Situation durch die<br />

Entwicklung professionellerer Strategien, weil sie auf die Ressourcen der akademisch

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