Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
52<br />
Eben das aber ist nie der Fall, <strong>und</strong> zwar ebenfalls aus zwei guten Gründen: erstens<br />
handelt es sich bei der Segregation der Oberschicht um freiwillige, bei der der<br />
Unterschicht um erzwungene Segregation. Die sozialräumliche Segregation der<br />
Oberschicht ist womöglich sehr viel schärfer, aber je höher Einkommen, Bildung <strong>und</strong><br />
sozialer Status, desto eher beruht Segregation auf Freiwilligkeit: Segregation dient der<br />
Vermeidung von Konflikten, sie erfüllt den Wunsch, mit seinesgleichen<br />
zusammenzuleben, sie erleichtert gutnachbarliche Kontakte <strong>und</strong> sie stabilisiert durch<br />
eine vertraute soziale Umwelt. Nicht also das sozialräumliche Phänomen der<br />
Segregation ist das Problem, sondern die Art <strong>und</strong> Weise seines Zustandekommens, d.h.<br />
seine Ursachen.<br />
Zweitens sind mit Segregation für die Angehörigen der Oberschicht kaum negative<br />
Folgen verb<strong>und</strong>en, weshalb bislang auch niemand auf die Idee gekommen ist, sie mit<br />
sozialpolitischen Maßnahmen aufzulösen. Räumliche Konzentration wird nur dann als<br />
Problem betrachtet, wenn es sich um die Absonderung von Gruppen handelt, deren<br />
Andersartigkeit von der Mehrheit als bedrohlich definiert wird. Nicht die Perfektion<br />
oder der Grad der Abgrenzung, sondern die Akzeptanz der durch Abgrenzung sichtbar<br />
werdenden Kultur ist das Problem. Das zeigt sich am Beispiel der Alternativszene in der<br />
Kölner Südstadt: "Man kann ... davon ausgehen, daß eine ähnlich ausschließliche<br />
Raumbesetzung einschließlich der Etablierung einer weitgefächerten Infrastruktur bis<br />
hin zu eigenen Einrichtungen zur Kinderversorgung, wie sie in Teilen der Südstadt<br />
durch die alternative Szene geschieht, zweifellos als Ghettobildung in der öffentlichen<br />
Meinung kritisiert würde, wenn eine ethnisch definierte Gruppe so vorginge"<br />
(Kißler/Eckert 1990, 73).<br />
An diesem Beispiel wird deutlich, daß es einen großen Unterschied macht, aus welcher<br />
Perspektive Fragen der Segregation bzw. der Mischung diskutiert werden: aus der<br />
Perspektive der Verträglichkeit für Einheimische oder aus der Perspektive der<br />
Minderheit. Um es polemisch zu formulieren: häufig geht es darum, wie viel Fremde<br />
eine Nachbarschaft verträgt, bis sie ihre Dominanzansprüche anmeldet, bzw. wie viel<br />
fremdländisch Aussehende im Straßenbild auftauchen dürfen, bis sich die Deutschen<br />
bedroht fühlen <strong>und</strong> wegziehen, wenn sie können. Diese Linie ist die Basis für die<br />
Festlegung von Höchstquoten <strong>und</strong> Schwellenwerten, für die Formulierung von<br />
Zuzugssperren <strong>und</strong> Strategien zur Verstreuung der Ausländer über das Stadtgebiet.<br />
Aber wäre eine Politik forcierter Mischung im Interesse der Minderheiten, <strong>und</strong> fördert<br />
sie langfristig überhaupt die <strong>Integration</strong>? Es gibt gute Argumente, diese Frage mit Nein<br />
zu beantworten. Denn die Dekonzentration zerstört informelle Netze bzw. behindert<br />
deren Aufbau <strong>und</strong> schwächt damit die ökonomischen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen <strong>und</strong><br />
damit letztlich auch die psychische Stabilität. Eine ökonomisch, sozial <strong>und</strong> psychisch<br />
halbwegs gesicherte Existenz aber ist Voraussetzung für gelingende <strong>Integration</strong>. Erst<br />
auf der Basis einer gesicherten Identität kann man sich auf das Abenteuer des Neuen<br />
einlassen, das immer auch eine Herausforderung <strong>und</strong> ein Infragestellen der eigenen<br />
Identität bedeutet. Das gilt für Zuwanderer wie für Eingesessene.