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Soziale Integration und ethnische Schichtung - Schader-Stiftung

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Eben das aber ist nie der Fall, <strong>und</strong> zwar ebenfalls aus zwei guten Gründen: erstens<br />

handelt es sich bei der Segregation der Oberschicht um freiwillige, bei der der<br />

Unterschicht um erzwungene Segregation. Die sozialräumliche Segregation der<br />

Oberschicht ist womöglich sehr viel schärfer, aber je höher Einkommen, Bildung <strong>und</strong><br />

sozialer Status, desto eher beruht Segregation auf Freiwilligkeit: Segregation dient der<br />

Vermeidung von Konflikten, sie erfüllt den Wunsch, mit seinesgleichen<br />

zusammenzuleben, sie erleichtert gutnachbarliche Kontakte <strong>und</strong> sie stabilisiert durch<br />

eine vertraute soziale Umwelt. Nicht also das sozialräumliche Phänomen der<br />

Segregation ist das Problem, sondern die Art <strong>und</strong> Weise seines Zustandekommens, d.h.<br />

seine Ursachen.<br />

Zweitens sind mit Segregation für die Angehörigen der Oberschicht kaum negative<br />

Folgen verb<strong>und</strong>en, weshalb bislang auch niemand auf die Idee gekommen ist, sie mit<br />

sozialpolitischen Maßnahmen aufzulösen. Räumliche Konzentration wird nur dann als<br />

Problem betrachtet, wenn es sich um die Absonderung von Gruppen handelt, deren<br />

Andersartigkeit von der Mehrheit als bedrohlich definiert wird. Nicht die Perfektion<br />

oder der Grad der Abgrenzung, sondern die Akzeptanz der durch Abgrenzung sichtbar<br />

werdenden Kultur ist das Problem. Das zeigt sich am Beispiel der Alternativszene in der<br />

Kölner Südstadt: "Man kann ... davon ausgehen, daß eine ähnlich ausschließliche<br />

Raumbesetzung einschließlich der Etablierung einer weitgefächerten Infrastruktur bis<br />

hin zu eigenen Einrichtungen zur Kinderversorgung, wie sie in Teilen der Südstadt<br />

durch die alternative Szene geschieht, zweifellos als Ghettobildung in der öffentlichen<br />

Meinung kritisiert würde, wenn eine ethnisch definierte Gruppe so vorginge"<br />

(Kißler/Eckert 1990, 73).<br />

An diesem Beispiel wird deutlich, daß es einen großen Unterschied macht, aus welcher<br />

Perspektive Fragen der Segregation bzw. der Mischung diskutiert werden: aus der<br />

Perspektive der Verträglichkeit für Einheimische oder aus der Perspektive der<br />

Minderheit. Um es polemisch zu formulieren: häufig geht es darum, wie viel Fremde<br />

eine Nachbarschaft verträgt, bis sie ihre Dominanzansprüche anmeldet, bzw. wie viel<br />

fremdländisch Aussehende im Straßenbild auftauchen dürfen, bis sich die Deutschen<br />

bedroht fühlen <strong>und</strong> wegziehen, wenn sie können. Diese Linie ist die Basis für die<br />

Festlegung von Höchstquoten <strong>und</strong> Schwellenwerten, für die Formulierung von<br />

Zuzugssperren <strong>und</strong> Strategien zur Verstreuung der Ausländer über das Stadtgebiet.<br />

Aber wäre eine Politik forcierter Mischung im Interesse der Minderheiten, <strong>und</strong> fördert<br />

sie langfristig überhaupt die <strong>Integration</strong>? Es gibt gute Argumente, diese Frage mit Nein<br />

zu beantworten. Denn die Dekonzentration zerstört informelle Netze bzw. behindert<br />

deren Aufbau <strong>und</strong> schwächt damit die ökonomischen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen <strong>und</strong><br />

damit letztlich auch die psychische Stabilität. Eine ökonomisch, sozial <strong>und</strong> psychisch<br />

halbwegs gesicherte Existenz aber ist Voraussetzung für gelingende <strong>Integration</strong>. Erst<br />

auf der Basis einer gesicherten Identität kann man sich auf das Abenteuer des Neuen<br />

einlassen, das immer auch eine Herausforderung <strong>und</strong> ein Infragestellen der eigenen<br />

Identität bedeutet. Das gilt für Zuwanderer wie für Eingesessene.

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