Chronik 2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
9 Ebd.; 65 ff.<br />
10 Zit. nach Strickerschmidt H.<br />
Geerdete Spiritualität bei Hildegard<br />
von Bingen. Berlin 2006; 139.<br />
11 Scheuchzer JJ. Physica, oder<br />
Natur-Wissenschaft, Erster Teil.<br />
Zürich 1709; 29.<br />
12 Rothschuh KE. Geschichte der<br />
Physiologie. Berlin 1953; 45.<br />
denn für Magen-Darm- und Stoffwechselkrankheiten im Besonderen. Zwischen<br />
dem 6. und dem 12. Jahrhundert entwickelten sich die Klöster zu den wichtigsten<br />
medizinischen Zentren. Hier wurden – zunächst aus rein literarischem Interesse<br />
– medizinische Texte gesammelt. Die gesammelten Erkenntnisse kamen jedoch<br />
bald zur Anwendung, da die Klöster für die Gesundheit ihrer Bewohner verantwortlich<br />
waren.9 Bis heute ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der monastischen<br />
Medizin die Äbtissin Hildegard von Bingen. Sie hat zwar im engeren Sinne<br />
keine eigenen medizinischen Forschungen betrieben, allerdings kommt ihr das<br />
Verdienst zu, bereits bekannte Behandlungsmethoden aus unterschiedlichen<br />
Quellen zusammengetragen zu haben. Unter anderem beschäftigte sie sich mit<br />
der Wirkungsweise der eingenommenen Nahrung auf den Magen und riet dazu:<br />
»Das erste Frühstück soll aus einer warmen Speise bestehen, die aus Früchten<br />
und Mehl zubereitet wurde, damit der Magen warm wird, denn wenn der Mensch<br />
zuerst ein kaltes Essen oder Trinken zu sich nimmt, macht er dadurch seinen Magen<br />
kalt und ein kalter Magen kann nicht gut verdauen«.10<br />
Kapitel 1<br />
▶ Hildegard von Bingen war eine<br />
Benediktinerin, die um 1150 lebte.<br />
Sie galt als eine der wichtigsten<br />
Universalgelehrten ihrer Zeit und<br />
beschäftigte sich – neben der Theologie,<br />
Ethik, Musiktheorie und<br />
Kosmologie – auch mit medizinischen<br />
Fragen. Sie sammelte bereits<br />
bekannte Behandlungsmethoden<br />
aus verschiedenen Quellen.<br />
▶▶ Die Medizinschule in Salerno<br />
hatte ihre Glanzzeit vom 10. bis<br />
zum 13. Jahrhundert. Zahlreiche<br />
griechisch-arabische Texte wurden<br />
hier ins Lateinische übersetzt.<br />
Diese Darstellung stammt aus dem<br />
Qānūn at-Tibb (Kanon der Medizin)<br />
von Avicenna, in dem dieser<br />
über griechische, römische und persische<br />
Medizintraditionen schrieb.<br />
Beginn einer »modernen« Medizin<br />
Erst nach dem Mittelalter lassen sich im Schatten der weiterhin dominanten Humoralpathologie<br />
neuartige Ansätze für die Erforschung des Darmtraktes erkennen.<br />
Das alte Wissen wurde nicht mehr per se als wahr und gültig anerkannt, sondern<br />
vermehrt in Zweifel gezogen und empirisch untersucht. Ein Ergebnis war die<br />
»Iatrochemie« im ausgehenden 16. Jahrhundert. Dieser Ansatz ging davon aus,<br />
dass sich die Verdauung als Prozess chemischer Zersetzung beschreiben lässt. Die<br />
Iatrophysik des 17. Jahrhunderts konzeptualisierte den Körper dagegen – nach<br />
dem Vorbild der Mechanik – als Maschine. Nach diesem Verständnis funktionierte<br />
die Verdauung wie folgt: Die »Zähne sind so vil als Messer und Mühlsteine, so<br />
die vorgelegten Speisen zerschneiden oder zermalmen, der Schlund ein Trichter,<br />
durch welchen die Speisen hinuntergebracht werden in den Magen, diser ein<br />
kunstlicher Hafen, so die Speisen kochet, die Gedärm ein subtiles Sieb«.11 Hier ist<br />
bereits ein erstes Aufkeimen des wissenschaftlich-methodischen Denkens der<br />
modernen Medizin zu erkennen; der Blick in das Körperinnere war den Medizinern<br />
jedoch weiterhin nicht möglich. Falsche Schlussfolgerungen waren die Folge.12<br />
Jenseits der Schilderungen der Patienten sowie der oberflächlichen Beobachtung<br />
durch die Ärzte waren die »versenkten Welten der Anatomie«13 dem<br />
13