Chronik 2018
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15 Gutmann I, Hg. Enzyklopädie<br />
des Holocaust, Die Verfolgung<br />
und Ermordung der europäischen<br />
Juden, Band 1. Berlin 1993; 326,<br />
330, 342. Strauß HA, Hg. Essay<br />
on the history, persecution and<br />
emigration on german jews. New<br />
York 1987; 144, 151.<br />
16 Kümmel WF. Die Ausschaltung.<br />
In: Medizin im Dritten Reich. Bleker<br />
J, Jachertz N, Hg. Köln 1989;<br />
30 – 31.<br />
17 Schwoch R, Hg. Berliner jüdische<br />
Kassenärzte und ihr Schicksal<br />
im Nationalsozialismus, Ein<br />
Gedenkbuch. Berlin 2009.<br />
18 Auch Klinikärzte waren betroffen:<br />
Im April 1933 führte der<br />
Erlass des »Gesetzes zur Wiederherstellung<br />
des Berufsbeamtentums«<br />
zur Entlassung aller Beamten<br />
»nicht-arischer Abstammung«<br />
aus dem öffentlichen Dienst. Siehe<br />
»Gesetz zur Wiederherstellung<br />
des Berufsbeamtentums« vom 7.<br />
April 1933 (RGBl. I; 175 – 177). Vgl.<br />
Walk J, Hg. Das Sonderrecht für<br />
Juden im NS-Staat, Eine Sammlung<br />
gesetzlicher Maßnahmen<br />
und Richtlinien, Inhalt und Bedeutung.<br />
Zweite Aufl. Heidelberg<br />
1996; I / 46.<br />
19 Rohrbach JM. Augenheilkunde<br />
im Nationalsozialismus. Stuttgart<br />
2007; 97.<br />
20 Schwoch R. Approbationsentzug<br />
für jüdische Ärzte – »Bestallung<br />
erloschen«. Deutsches Ärzteblatt<br />
2008; 105 (39): 2043 – 2044.<br />
21 RGBl. I, 1933; 222. Barkai A.<br />
Die Heimat vertreibt ihre Kinder,<br />
Die nationalsozialistische Verfolgungspolitik<br />
1933 bis 1941. In:<br />
Stiftung Jüdisches Museum Berlin<br />
und Stiftung Haus der Geschichte<br />
der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Hg. Heimat und Exil, Emigration<br />
der deutschen Juden nach 1933.<br />
Frankfurt / M 2006; 15.<br />
und Stoffwechselkrankheiten« gesprochen. Parallel taucht in einem Dokument<br />
auch eine neue Bezeichnung auf: »Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und<br />
Stoffwechselkrankheiten«.13<br />
Ein Jahr nach dieser Tagung, am 1. September 1939, überfiel das Deutsche<br />
Reich die Polnische Republik – der Zweite Weltkrieg begann. Während des Krieges<br />
und in der Nachkriegszeit sollten keine Tagungen mehr stattfinden. Erst im<br />
September 1950 kamen die Gastroenterologen erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
zur 15. Tagung unter dem Vorsitz von Hans Heinrich Berg in Bad Kissingen<br />
zusammen.14<br />
Jüdische Gastroenterologen als Opfer des NS-Regimes<br />
Der Zeitabschnitt 1933 bis 1945 weist zahlreiche unterschiedliche Teilaspekte auf,<br />
die im Folgenden beleuchtet werden sollen. Sie zeigen Zustimmung und Ablehnung<br />
der Politik der Nationalsozialisten, Mitgliedschaften in der NSDAP und Parteiuntergruppierungen.<br />
Des Weiteren können Tätigkeiten als beratende Internisten<br />
und Beteiligungen an Menschenversuchen in Konzentrationslagern aufgezeigt<br />
werden. Zentrale Bedeutung für die Zeit zwischen 1933 und 1945 kommt dem<br />
Schicksal der jüdischen Ärztinnen und Ärzte zu.<br />
1933 lebten rund 570.000 Menschen, die nach den damals gängigen »rassischen«<br />
Kriterien als Juden galten, im Deutschen Reich – weniger als ein Prozent<br />
der Gesamtbevölkerung.15 Etwa sechzehn Prozent aller in Deutschland tätigen<br />
Mediziner waren Juden; zwei Drittel von ihnen waren niedergelassen.16 In Berlin<br />
war der Anteil der jüdischen Ärzteschaft mit fast 60 Prozent besonders hoch. Dort<br />
waren unter den bisher 2.018 recherchierten jüdischen Kassenärzten 41 Fachärzte<br />
für Magen- und Darmkrankheiten, deren Kurzbiografien dokumentiert sind.17<br />
Diesen jüdischen Magen- und Darmspezialisten in Berlin wurde – wie all<br />
ihren jüdischen Kollegen – kurz nach der »Machtübergabe« an die Nationalsozialisten<br />
durch weitgehende Entrechtungsmaßnahmen die wirtschaftliche Grundlage<br />
entzogen.18 Dies war bedingt durch die neu gefasste »Verordnung über die Zulassung<br />
zur Kassenpraxis«, in deren Folge die Mehrheit der jüdischen Kassenärzte<br />
ihre Zulassung verlor,19 womit ihnen einzig die Behandlung von Privatpatienten<br />
geblieben war.20 Eine Ausnahmeregelung galt zunächst noch für diejenigen, die<br />
sich vor 1914 niedergelassen hatten oder als Frontsoldaten sowie in Seuchenlazaretten<br />
im Ersten Weltkrieg gedient hatten.21 Diese Ausnahme beruhte jedoch<br />
Kapitel 3<br />
▶ + ▶▶ Um die jüdischen Ärzte im<br />
Reich zu diffamieren und ihrer Existenzgrundlage<br />
zu berauben, betrieben<br />
die Nazis ab dem Frühjahr<br />
1933 aggressiv Propaganda. Was<br />
mit Boykotten und Feme-Schildern<br />
begann, weitete sich schnell zu<br />
Berufsverboten und dem Entzug<br />
der Approbation aus.<br />
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