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Chronik 2018

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86 Leopold Lichtwitz<br />

(1876 – 1943), ausgewiesener<br />

Stoffwechselforscher und Verfasser<br />

des Lehrbuchs Klinische Chemie,<br />

wurde 1933 wegen seiner<br />

jüdischen Herkunft entlassen.<br />

Er emigrierte im gleichen Jahr in<br />

die USA. In New York wurde er<br />

Leiter der Medizinischen Klinik<br />

am Montefiore Hospital New<br />

York und lehrte klinische Medizin<br />

an der Columbia University.<br />

Lichtwitz war 1933 designierter<br />

Vorsitzender des 45. Kongresses<br />

der Deutschen Gesellschaft für<br />

Innere Medizin, durfte den Vorsitz<br />

jedoch nicht übernehmen. Vgl.<br />

Kagan SR. Jewish Medicine. Boston<br />

1952; 321.<br />

87 Gutzeit K. Über die Gastroenteritis,<br />

Entzündung des Magen-<br />

Darmkanals und ihre Folgeerscheinungen.<br />

(Klinische Lehrkurse<br />

der Münchener Medizinischen<br />

Wochenschrift, Band 12.) München<br />

1933.<br />

88 Georg Klemperer war in den<br />

1920er Jahren renommierter Internist,<br />

der sich mit Ernährungsfragen,<br />

Arzneimitteltherapie und<br />

psychosomatischen Aspekten<br />

befasste. Wolf U. Leben und Wirken<br />

des Berliner Internisten Georg<br />

Klemperer (1865 – 1946). [Dissertation].<br />

Aachen 2003.<br />

89 Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

erschien die Reihe als Klinik der<br />

Gegenwart, 1955 herausgegeben<br />

von K. Gutzeit, R. Cobet und<br />

H. E. Bock.<br />

90 Heinrich Teitge, internistisch<br />

ausgebildet u.a. in der I. Medizinischen<br />

Klinik der Charité in Berlin<br />

bei W. His, wurde am 1.4.1933<br />

Oberarzt in der IV. Medizinischen<br />

Klinik des Städtischen Krankenhauses<br />

Moabit in Berlin bei Viktor<br />

Schilling. Seit 1935 war er<br />

Ärztlicher Leiter der Abteilung<br />

Innere Medizin am Urbankrankenhaus<br />

Berlin. Vgl. UA HUB PA<br />

UK T010 Band I Bl. 1 – 14 u. Bl.<br />

26. Teitge war seit dem 1.10.1930<br />

SS- und NSDAP-Mitglied und seit<br />

1931 NS-Zellenobmann in der<br />

Charité. Vgl. UA HUB PA UK Band<br />

I, Bl. 26 und BA (ehem. BDC) R<br />

4901 / 13278. Im Januar 1943<br />

wurde Teitge Leiter der Hauptabteilung<br />

Gesundheitswesen im<br />

Generalgouvernement und Leitender<br />

SS-Arzt beim Höheren SS- und<br />

Polizeiarzt OST. Friedmann T, Hg.<br />

Prof. Heinrich Teitge, SS-Brigadeführer,<br />

Chefarzt der Gesundheitskammer<br />

im Generalgouvernement<br />

1943 – 1945. Haifa 2002.<br />

ca-Versuchen gezwungen wurde, zur Verantwortung für die Verbrechen, die während<br />

des »Dritten Reiches« von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen an<br />

Menschen verübt wurden.62<br />

Ernährungsforschung und Hungerversuche<br />

im Zweiten Weltkrieg<br />

Während des Krieges sollte die Truppenverpflegung gemäß wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse zur »optimalen« Ernährung gestaltet werden; mit dieser Zielsetzung<br />

war eine Arbeitsgemeinschaft »Ernährung der Wehrmacht« gegründet worden,<br />

um unter anderem Forschungsarbeiten zur Leistungssteigerung durch<br />

zweckmäßige Ernährung durchzuführen.63 In diesem Kontext wurden auch Untersuchungen<br />

zu Mangelerscheinungen bei unzureichender oder fehlender Nahrung<br />

interessant.64 Alexander Neumann hat dokumentiert, dass Ernährungsversuche<br />

mit Kriegsgefangenen, Untersuchungen zum Hungerödem und zur<br />

Wirkung verschiedener Eiweißzubereitungen zu jener Zeit »keine Seltenheit«65<br />

waren. Nach seinen Angaben hat sich 1942 auch Gerhardt Katsch an solchen Untersuchungen<br />

beteiligt.66<br />

Während des Krieges erforschte Heinrich Berning, Mitarbeiter bei Hans<br />

Heinrich Berg in der I. Medizinischen Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, an<br />

Lazarettkranken in Hamburg die Ödemkrankheit und deren Folgen.67 Durch spätere,<br />

eingehende Analysen der Berningschen Arbeiten wurde deutlich, dass Berning<br />

ein Forschungsprojekt im Auftrag der Wehrmacht durchführte und dass er<br />

seine Erkenntnisse 1941 / 42 an 56 sowjetischen Kriegsgefangenen durch gezielte<br />

Hungerversuche gewann, von denen zwölf während des Beobachtungszeitraumes<br />

starben.68 Zur damaligen Zeit war bereits bekannt, dass der Ödemkrankheit<br />

mit einer hochwertigen Eiweißzufuhr zu begegnen war; dennoch hat Berning die<br />

Nahrungszufuhr, zumindest teilweise, mehr an Forschungszwecken als an therapeutischen<br />

Notwendigkeiten ausgerichtet und die unterernährten Kriegsgefangenen<br />

umfangreich mittels Kolonkontrasteinlauf, Sternalpunktionen und<br />

Belastungstests untersucht.69 Er selbst hat 1942 die günstige Prognose der Ödemkrankheit<br />

bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung beschrieben.70 Gemeinsam<br />

verfassten Berg und Berning den Beitrag Qualitative und quantitative Ernährungsschädigungen<br />

in dem vom Heeressanitätsinspekteur 1944 herausgegebenen Buch<br />

Innere Wehrmedizin. Nach den zur Verfügung stehenden Quellen ist davon auszugehen,<br />

dass Berg über die Umstände der Experimente Bernings vollständig informiert<br />

war.71<br />

Meerwasserversuche und Hans Eppinger<br />

Hans Eppinger war in den 1930er Jahren der führende Hepatologe und publizierte<br />

1937 das damalige Standardwerk Die Leberkrankheiten. Nach Ordinariaten für Innere<br />

Medizin in Freiburg (1926 – 1930) und danach in Köln wechselte Eppinger als<br />

Leiter der I. Medizinischen Universitätsklinik nach Wien.72 Auf der Basis bekannter<br />

Dokumente besteht kein Zweifel daran, dass Hans Eppinger 1944 als Gutachter<br />

an der Planung von Experimenten beteiligt war, die die Trinkbarmachung von<br />

Meerwasser zum Ziel hatten.73 Hierbei handelte es sich um eine kriegswichtige<br />

Kapitel 3<br />

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