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Chronik 2018

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10 Peter J. Der Nürnberger Ärzteprozeß<br />

im Spiegel seiner Aufarbeitung<br />

anhand der drei Dokumentensammlungen<br />

von Alexander<br />

Mitscherlich und Fred Mielke.<br />

Münster 1998; 126.<br />

11 Fischer, Lorenz. Lexikon der<br />

Vergangenheitsbewältigung; 23.<br />

12 Vgl. Verh Ges Verd Stoffwechselkr,<br />

XV. Tagung in Bad Kissingen<br />

(28. bis 30. September 1950),<br />

Gräfelfing 1953 bis XVIII. Tagung,<br />

in Bad Homburg (3. bis 5. Oktober<br />

1955), Gräfelfing 1956 und<br />

Creutzfeldt W, Martini GA, Strohmeyer<br />

G. Meilensteine der Gastroenterologie<br />

und Stoffwechselforschung<br />

in den deutschsprachigen<br />

Ländern, Freiburg 1997; 10.<br />

▶ Auch im NS-System verstrickte<br />

Mediziner mussten sich im Nürnberger<br />

Ärzteprozess 1946 / 1947<br />

rechtfertigen. Angeklagt waren 20<br />

KZ-Ärzte sowie ein Jurist und zwei<br />

Verwaltungsfachleute als Organisatoren<br />

von Medizinverbrechen.<br />

Von den 23 Angeklagten wurden<br />

sieben zum Tode verurteilt, fünf zu<br />

lebenslangen Haftstrafen und vier<br />

zu Haftstrafen zwischen 10 und 20<br />

Jahren. Sieben Angeklagte wurden<br />

freigesprochen.<br />

chenzeitungen gab es dazu nur vereinzelte Beiträge, die Berichterstattung erfolgte<br />

weitestgehend in reinen Fachzeitschriften. Doch auch in englischsprachigen Publikationen<br />

fanden die Prozesse wenig Resonanz. Bald geriet die Auseinandersetzung<br />

mit der 12-jährigen Nazi-Herrschaft in den Hintergrund oder wurde mit<br />

Schweigen übergangen.10 Der politische Klimawandel im Kontext des Kalten<br />

Krieges begünstigte darüber hinaus die Freilassung der meisten Verurteilten, die<br />

größtenteils ohne Einschränkung ihre Karrieren fortsetzen konnten.11<br />

Wie nahezu die gesamte Gesellschaft hat auch die DGVS in der ersten Nachkriegsperiode<br />

keine aktiven Bemühungen unternommen, die möglichen Verstrickungen<br />

einzelner Mitglieder im NS-Regime systematisch aufzuarbeiten. Hans<br />

Heinrich Berg hatte sich nach 1945 für die Neugründung der DGVS in den westlichen<br />

Besatzungszonen bzw. in der BRD engagiert. Schriftführer der Gesellschaft<br />

wurde 1950 Hans Wilhelm Bansi, der das Amt 1955 an den damaligen stellvertretenden<br />

Schatzmeister Gustav Adolf Martini, einem Schüler Bergs, übertrug.12<br />

Hinweise darauf, dass das Verhalten einzelner Gesellschaftsmitglieder während<br />

der NS-Zeit von der Gesellschaft problematisiert oder offiziell thematisiert wurde,<br />

sind nicht bekannt.<br />

Differenzierte biografische Skizzen der DGVS-Präsidenten zwischen 1950<br />

und 1964, wie Hans Heinrich Berg, Gerhardt Katsch, Kurt Beckmann, Norbert<br />

Henning, Heinz Kalk, Hans Wilhelm Bansi und Robert Mark existieren bisher<br />

nicht. Sie alle waren seit 1939 »Beratende Internisten« der Wehrmacht in verantwortungsvoller<br />

Position; ihre politischen Einstellungen, ihr Wissen um ethische<br />

Grenzüberschreitungen und mögliche Verstrickungen der deutschen Mediziner<br />

in der Zeit zwischen 1933 und 1945 sind bisher allenfalls punktuell bekannt. Es ist<br />

– aus heutiger Sicht – unverständlich, dass sie nach 1945 in ihren Ansprachen keine<br />

Worte des Bedauerns über die Vertreibung und das Schicksal ihrer jüdischen<br />

Kolleginnen und Kollegen gefunden haben.<br />

Besonders fällt dies in der Rede Hans Heinrich Bergs anlässlich der ersten<br />

Tagung der DGVS in der Nachkriegszeit vom 28. bis 30. September 1950 in Bad Kissingen<br />

auf.<br />

Der Kongress war monothematisch ausgerichtet und widmete sich den Leberkrankheiten.<br />

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass während des Kongresses<br />

mit Hans Voegt, Friedrich Meythaler und Arnold Dohmen Ärzte Referate hielten,<br />

die in der NS-Zeit tief in der Durchführung von Hepatitis A-Experimenten an psy-<br />

Kapitel 4<br />

▶▶ Hier stehend beim Ärzteprozess<br />

Oskar Schröder, er initiierte<br />

die Meerwasserversuche im KZ<br />

Dachau. Schröder wurde 1947 zu<br />

lebenslanger Haft verurteilt und<br />

1954 vorzeitig entlassen.<br />

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