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Chronik 2018

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Hermann Strauß (1868 – 1944) stammte aus Heilbronn und hatte eine hochkarätige<br />

Ausbildung bei Ewald im Augustahospital in Berlin, bei Riegel in Gießen<br />

und seit 1895 bei Hermann Senator in der III. Medizinischen Klinik der Charité<br />

absolviert.40 Er gehörte um 1900 in der Charité Berlin zur Gruppe sehr engagierter<br />

jüdischer Ärzte, die eine Fülle originärer Beiträge zur Fortentwicklung der Medizin<br />

lieferten. Strauß befasste sich zunächst mit Funktionsuntersuchungen der Niere.<br />

Die Strauß-Kanüle wurde von ihm entwickelt, womit er die Voraussetzungen für<br />

eine unkomplizierte Blutentnahme, für Blutanalysen in großem Umfang und für<br />

die Infusionstherapie schuf.41 Strauß gilt als Erstbeschreiber der kochsalzarmen<br />

Diät. 1897 wurde er mit seinen Arbeiten zur funktionellen Diagnostik der Magenerkrankungen<br />

an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin habilitiert und 1902<br />

zum a.o. Professor ernannt. Seit 1900 widmete er sich vornehmlich den Magen-Darm-Krankheiten,<br />

stellte die Laevuloseprobe zur Leberfunktionsuntersuchung<br />

vor und konstruierte das Straußsche Procto-Sigmoidoskop.42 1910 erschien<br />

sein Werk Die Procto-Sigmoskopie und 1922 Erkrankungen des Rectum und Sigmoideum.<br />

Fragen der Diätetik interessierten ihn ebenso wie die Fortschritte in der Diabetestherapie;<br />

er gehörte zu den ersten deutschen Ärzten, die Anfang der 1920er<br />

Jahre Insulin anwandten. Strauß war seit 1910 Mitherausgeber des Archivs und<br />

veröffentlichte zudem selbst in der Nachfolge von Albert Albu die Sammlung<br />

zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.<br />

Publizistisch hochaktiv verfasste er 26 Monografien und viele wissenschaftliche<br />

Fachbeiträge. Eine breite Aufklärung war ihm ein wichtiges Anliegen,<br />

so dass er eine Reihe allgemeinverständlicher Schriften verfasste.<br />

Hermann Strauß übernahm 1910 die Stelle des Leitenden Arztes der Abteilung<br />

Innere Medizin am Jüdischen Krankenhaus Berlin und war an den Planungen<br />

eines Neubaus entscheidend beteiligt, der 1914 bezogen wurde. Dieser verfügte<br />

über eine modern eingerichtete Abteilung, in der Strauß bis 1942 unter<br />

zunehmend schwierigen Bedingungen tätig war. Eine Emigration lehnte er ab.<br />

Hermann und Elsa Strauß wurden am 31. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert.<br />

Dem Ältestenrat des KZ angehörend, half er dort medizinisch, soweit es ihm<br />

möglich war. Am 17. Oktober 1944 starb er im KZ Theresienstadt an den Folgen eines<br />

Herzinfarktes. Seine Ehefrau überlebte, starb aber im Juni 1945 an den Folgen<br />

der Haft.<br />

40 Jenss H. Hermann Strauß,<br />

Internist und Wissenschaftler<br />

in der Charité und im Jüdischen<br />

Krankenhaus Berlin, Mit einem<br />

Beitrag über Elsa Strauß. (Jüdische<br />

Miniaturen Band 95.) Berlin 2010.<br />

41 Cameron JS. One man and his<br />

needle – Hermann Strauss. Seminars<br />

in Dialysis 2006; 19: 559−561.<br />

42 Stelzner FH. Strauß’ Beitrag zur<br />

Entwicklung des Rekto-Sigmoidoskops.<br />

Med Welt 1963; N.F. 13:<br />

286 – 294.<br />

43 Sachse C, Walker M. Naturwissenschaften,<br />

Krieg und Systemverbrechen,<br />

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft<br />

im internationalen<br />

Vergleich 1933 – 1945. In: Grüttner<br />

M, Hachtmann R, Jarausch KH,<br />

John J, Middell M, Hg. Gebrochene<br />

Wissenschaftskulturen,<br />

Universität und Politik im 20. Jahrhundert.<br />

Göttingen 2010; 178.<br />

44 Ebd.; 180.<br />

◀ Hermann Strauß Ende der<br />

1920er Jahre. Gewählt als designierter<br />

Vorsitzender der 12. Tagung<br />

in Berlin musste er 1933 sein Amt<br />

vorzeitig niederlegen.<br />

42

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