Chronik 2018
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1 Europäisches Observatorium<br />
für Gesundheitssysteme, Hg.<br />
Gesundheitssysteme im Wandel –<br />
Deutschland. o. O. 2000; 16.<br />
2 Statistisches Bundesamt, Hg.<br />
Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik<br />
Deutschland. Wiesbaden<br />
1953; 82.<br />
3 Kröner HP. Die Emigration<br />
deutschsprachiger Mediziner im<br />
Nationalsozialismus. In: Berichte<br />
zur Wissenschaftsgeschichte, Sonderheft<br />
12, 1989; 15.<br />
Neuanfang – die DGVS in der<br />
Bundesrepublik<br />
Kapitel 4<br />
4 Statistisches Jahrbuch für die<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
1957; 78.<br />
Die größten Herausforderungen für die deutsche Gesellschaft nach dem Kriegsende<br />
im Mai 1945 bestanden in der Beseitigung der Kriegsschäden und dem Neubeginn<br />
nach den Verbrechen des Nationalsozialismus. Für die meisten Menschen<br />
standen die Alltagssorgen im Vordergrund. So mussten Wohnraum, ausreichend<br />
Nahrung und Brennmaterial, zumal im eisigen Winter 1946 / 47, beschafft werden.<br />
Hinzu kam die notwendige Integration der Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen<br />
Ostgebieten. Da die Londoner Außenministerkonferenz 1947 an der fehlenden<br />
Einigung zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion scheiterte, zeichnete<br />
sich immer mehr die politische Teilung Deutschlands zwischen den drei<br />
Besatzungszonen unter amerikanischer, britischer und französischer Führung einerseits<br />
und der sowjetischen Besatzungszone andererseits ab. Die Teilung<br />
Deutschlands wurde 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland<br />
endgültig besiegelt.<br />
Ein wesentlicher Schritt für die Normalisierung des Alltags bedeutete 1950<br />
die Abschaffung der Lebensmittelkarten in der Bundesrepublik; dies war ein deutliches<br />
Zeichen für die Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände. Die Menschen<br />
sehnten sich nach den schrecklichen Erfahrungen des Krieges nach Normalität<br />
und Wohlstand. Das sogenannte Wirtschaftswunder hielt in Deutschland<br />
Einzug und führte vor diesem Hintergrund zu einem prosperierenden, Konsumgestützten<br />
Aufschwung, der breite Bevölkerungsschichten betraf.<br />
Ebenso wie die Gesellschaft sahen sich auch die Ärztinnen und Ärzte in den<br />
ersten Nachkriegsmonaten und -jahren mit drängenden praktischen Problemen<br />
konfrontiert. Gerade die erste Zeit direkt nach Kriegsende war von »Ad-hoc-Maßnahmen<br />
zur Verhinderung von Epidemien und der Verteilung der sehr begrenzten<br />
Mittel geprägt«.1 Die medizinische Versorgung in Deutschland litt dabei vor allem<br />
an einem Mangel an Ärzten. So gab es in der BRD 1950 67.000 Ärzte, 4.500 davon<br />
waren in West-Berlin tätig.2 Auch unter der Ärzteschaft hatte der Krieg viele Opfer<br />
gefordert, zudem waren die meisten Ärzte jüdischer Herkunft entweder ausgewandert<br />
oder von den Nationalsozialisten deportiert und in den Konzentrationslagern<br />
ermordet worden. Es wird geschätzt, dass etwa neun- bis zehntausend<br />
deutschsprachige Mediziner, mit einem hohen Anteil an Fachärzten, unter nationalsozialistischer<br />
Herrschaft das Land verlassen mussten.3 Nach Kriegsende stieg<br />
die Zahl der Ärzte zwischen 1950 und 1955 auf 75.000 an.4<br />
Vor diesem Hintergrund galt es in der Medizin nach 1945 zahlreiche Probleme<br />
zu lösen: so etwa Fragen der medizinischen Grundversorgung angesichts der<br />
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