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Chronik 2018

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des MfS, Ärzte als Informanten zu gewinnen, ergab sich aus deren Stellung. Gerade<br />

als Arzt konnte man aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zum<br />

Patienten tiefen Einblick in dessen Privatleben erhalten.<br />

Während das MfS zahlreiche Personen aus der Ärzteschaft und dem gesamten<br />

Gesundheitswesen verpflichtete, flohen gut ausgebildete Mediziner in den<br />

Westen. Ärzte und Wissenschaftler verließen die DDR hauptsächlich über Botschaften<br />

und die Ständige Vertretung der BRD in Berlin oder kehrten von genehmigten<br />

Auslandsreisen nicht zurück. Deswegen »ging es der Staatssicherheit<br />

hauptsächlich um die Unterbindung wissenschaftlicher sowie persönlicher Kontakte<br />

zwischen Ost und West.« Republikflucht und Ausreisewilligkeit wurden die<br />

Hauptthemen des MfS für die Ärzteschaft und spätestens ab Mitte der 1980er Jahre<br />

war das Netz der Inoffiziellen Mitarbeiter so eng geknüpft, dass es keine größere<br />

Einrichtungen wie Universitäten und Krankenhäuser ohne »IM« gab.32<br />

Neben den abgewanderten Medizinern, den aktiven SED-Mitgliedern sowie<br />

den IM darf aber nicht vergessen werden, dass viele DDR-Bürger – unter ihnen<br />

auch Ärzte – nicht mit den politischen Prinzipien des SED-Staates konform gingen,<br />

sich, soweit es eben ging, distanzierten und versuchten, sich mit der Situation<br />

zu arrangieren.<br />

Wiedervereinigung und erste gesamtdeutsche Tagung 1990<br />

Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands kam es zu mehreren Treffen beider<br />

deutscher Fachgesellschaften, in deren Folge die Gesellschaft für Gastroenterologie<br />

der DDR Ende 1990 aufgelöst und ihren Mitgliedern der Beitritt zur DGVS empfohlen<br />

wurde. Auf der ersten gesamtdeutschen Tagung im Oktober 1990 in Essen<br />

konnte die DGVS schließlich fast 300 Besucher aus den Neuen Bundesländern begrüßen.<br />

Die Zusammenführung beider Fachgesellschaften wird von den Beteiligten<br />

bis heute als großartig und im Wesentlichen als ein schönes Ereignis erinnert.<br />

Doch während die Hochschulen ihr Personal begutachteten und es in Einzelfällen<br />

vor sogenannte Ehrenkommissionen treten ließen, um sich gegebenenfalls von<br />

Mitarbeitern und auch Ordinarien zu trennen, blieb eine Aufarbeitung in der DGVS<br />

– also eine Überprüfung hinsichtlich Verwicklungen einzelner neuer Mitglieder in<br />

das DDR-Regime – aus. Die Kollegen aus der DDR wurden uneingeschränkt als ein<br />

Gewinn für die Fachgesellschaft angesehen und integrierten sich schnell.33 Der<br />

44 Karl Matthes wurde 1945<br />

Direktor der Medizinischen Universitätsklinik<br />

Erlangen und war<br />

von 1952 – 1962 Ärztlicher Direktor<br />

der Medizinischen Klinik der<br />

Universität Heidelberg. Vgl. Wormer<br />

EJ. Matthes, Karl. In: Neue<br />

Deutsche Biographie 1990. Band<br />

16. 400 – 401. Matthes hatte 1935<br />

unter P. Morawitz in Leipzig als<br />

erster das Messprinzip der Sauerstoffsättigung<br />

(Pulsoxymetrie)<br />

beschrieben.<br />

45 Ries W. Max Bürger; 29. Vgl.<br />

Matthes K. Moderne Methoden<br />

der Kreislaufforschung. In: Wiss Z<br />

Karl-Marx-Univ. Leipzig. Mathnaturwis.<br />

R 1954 / 55; 4: 525 – 529,<br />

hier 525.<br />

46 Siede W, Meding G. Zur<br />

Ätiologie der Hepatitis epidemica.<br />

Klin Wochenschr 1941; 20:<br />

1065 – 1067. Vgl. Siede W. Hepatitis<br />

epiudemica. Leipzig 1951.<br />

47 Vgl. Verh Ges Verd Stoffwechselkr<br />

zum Teil gemeinsam mit der<br />

Internationalen und Deutschen<br />

Sportärzteschaft. XIII. Tagung in<br />

Berlin (28. und 29. Juli 1936).<br />

Leipzig 1937.<br />

48 Matthes K, Schlaudraff K. Über<br />

das Verhalten des systolischen<br />

Blutdrucks beim Menschen im<br />

akuten Sauerstoffmangel. Luftfahrtmedizin<br />

1943; 8: 161 – 170.<br />

Matthes K. Untersuchungen über<br />

das Wirkungsbild gefäßaktiver<br />

Pharmaka beim Menschen. Naunyn-Schmiedebergs<br />

Arch exper<br />

Path Pharm 1944; 203: 194 – 205.<br />

49 Ries W. Max Bürger; 29.<br />

50 Thom A. Max Bürger - Bewährung<br />

in konfliktgeladener Zeit.<br />

Z gesamte Inn Med 1986; 41:<br />

555 – 558.<br />

◀ Im Jahr 2004 verfasste Julius<br />

Schoenemann im Auftrag der DGVS<br />

eine <strong>Chronik</strong> der Gesellschaft für<br />

Gastroenterologie der DDR. In dieser<br />

kurzen aber sehr aufschlussreichen<br />

Publikation stellt der Autor<br />

die Entstehung und Entwicklung<br />

der Gesellschaft sowie ihre Aktivitäten<br />

und Errungenschaften dar.<br />

Er beleuchtet aber auch die entstehende<br />

Asymmetrie zwischen den<br />

beiden deutschen Staaten kritisch.<br />

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