Chronik 2018
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Carl Anton Ewald<br />
1845 – 1915<br />
Carl Anton Ewald, der bedeutende Wegbereiter der Gastroenterologie, wurde von einer Zeit<br />
geprägt, in der es durch einen enormen Wissenszuwachs in der Chemie, Physik und Physiologie<br />
zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel in der Medizin kam. Aus der weitgehend<br />
spekulativen Medizin entwickelte sich eine angewandte Wissenschaft. Nicht mehr<br />
die Phänomenologie der Krankheiten stand im Vordergrund, sondern deren Ursachen; pathophysiologische<br />
Hintergründe und veränderte Organfunktionen wurden erstmals, zumindest<br />
teilweise, mittels naturwissenschaftlicher Verfahren begreiflich und nachweisbar.<br />
Ewald, 1845 in Berlin geboren, hatte sich bereits während seines Medizinstudiums<br />
bei Eduard Pflüger in Bonn mit Fragen der Physiologie und der physiologischen Chemie<br />
beschäftigt.30 Nach Eintritt in die I. Medizinische Klinik der Charité Berlin 1871 und als Mitarbeiter<br />
von Frerichs widmete sich Ewald zunehmend Fragen der Verdauungsphysiologie<br />
und -pathologie.31 Er untersuchte systematisch die Magensekretion, den Magen inhalt sowie<br />
die Magenentleerung. Dabei bediente er sich konsequent der damals verfügbaren technischen<br />
sowie chemisch-analytischen Methoden. Ewald begründete – zeitgleich mit Leopold<br />
Oser aus Wien – die Sondierung des Magens mit einem weichen Gummischlauch.<br />
Durch diesen Meilenstein wurde die Analyse der Magensekretion maßgeblich erleichtert.<br />
Die Standardisierung der Funktionsuntersuchung des Magens mittels eines Probefrühstücks<br />
geht auf die Kooperation zwischen Ewald und Boas zurück.<br />
Ewald hielt an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin frühzeitig Vorlesungen<br />
über die Lehre von der Verdauung und publizierte diese 1879 als Einleitung zu seinem synoptischen<br />
Werk Klinik der Verdauungskrankheiten. Als Band 2 folgte 1888 Die Krankheiten des<br />
Magens, bei dem es sich um das erste Spezialbuch in dem neuen Fachgebiet handelte. Der<br />
dritte Band erschien 1902 unter dem Titel Die Krankheiten des Darmes und des Bauchfells.<br />
1913 publizierte er Die Leberkrankheiten. Ewald fasste mit diesen Werken seine eigenen Erkenntnisse<br />
und vor allem das damals noch sehr verstreute Wissen um die Verdauungskrankheiten<br />
zusammen und machte es verfügbar.<br />
1874 habilitiert, leitete Ewald ab 1876 die Frauen-Siechen-Anstalt in Berlin. 1882<br />
wurde er zum Extraordinarius der Berliner Universität ernannt. Er war seit 1888 als Nachfolger<br />
Hermann Senators ärztlicher Leiter der Abteilung Innere Medizin am Augustahospital<br />
Berlin, eine Funktion, die er bis zu seinem Tod 1915 innehatte.<br />
1901 wurde Ewald in Würdigung seiner Verdienste mit der Ehrenmitgliedschaft der<br />
American Gastroenterological Association (AGA) ausgezeichnet. Über lange Zeit war er<br />
Schriftleiter der angesehenen Berliner Klinischen Wochenschrift. Neben seiner medizinischen<br />
Tätigkeit widmete er sich sozialen und sozialhygienischen Fragen. So förderte er die<br />
Schaffung von Ferienkolonien für Berliner Jugendliche und unterstütze den Kampf gegen<br />
Tuberkulose bei Kindern.<br />
Es ist Ewalds Verdienst, die Aufmerksamkeit auf Fragen der Verdauungsphysiologie<br />
und -pathologie gelenkt und wichtige Grundlagen zur funktionellen Diagnostik geschaffen<br />
zu haben. Gleichwohl vermochte es Ewald aufgrund seines Selbstverständnisses zunächst<br />
nicht, das neue Fachgebiet als eigenständig anzusehen und jene Entwicklung, die Ismar<br />
Boas antizipierte, offen zu unterstützen.<br />
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