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Chronik 2018

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45 Kupplich Y. Funktion und Leistungen<br />

der Beratenden Internisten<br />

im Heeressanitätsdienst der deutschen<br />

Wehrmacht 1939 – 1945<br />

[Dissertation]. Leipzig 1996. Vgl.<br />

auch BArch-RH 12 – 23, 221, 947.<br />

46 Neumann A. »Arzttum ist<br />

immer Kämpfertum«, Die Heeressanitätsinspektion<br />

und das Amt<br />

»Chef des Wehrmachtssanitätswesens«<br />

im Zweiten Weltkrieg<br />

(1939 – 1945). Düsseldorf 2005;<br />

105.<br />

47 Ebd.; 199−200. Vgl. BArch-MA,<br />

RH 12−23, 247: G. Katsch: »Wenn<br />

irgendmöglich, sollten Ulcuskuren<br />

in Feld- und Kriegslazaretten<br />

durchgeführt werden, wo etwas<br />

Frontgeist herrscht und die Rückkehr<br />

zur alten Truppe, zu alten<br />

Kameraden in Aussicht steht.«<br />

48 Gutzeit K. Aussichten und<br />

Durchführung der vergleichenden<br />

Therapie und Prophylaxe im<br />

Kriege. Der Deutsche Militärarzt<br />

1941; 6: 14−19. Vgl. BArch-MA<br />

12−23, 286, 1214.<br />

49 BArch-MA RH 12 – 23 / 247:<br />

Teilnehmer der 3. Arbeitstagung<br />

Ost der Beratenden Internisten,<br />

24. – 26.5.1943; Berg bedankt sich<br />

ausdrücklich für die Einladung:<br />

»Mit grosser Freude werde ich<br />

kommen. U. a. interessiert mich<br />

natürlich auch das Thema der<br />

Einsatzmöglichkeit Ulcuskranker«.<br />

Brief H. H. Berg an StA Dr.<br />

Fähndrich, Dienststelle Beratender<br />

Internist der Heeressanitätsinspektion,<br />

vom 11. Mai 1943. Ebd.<br />

50 BArch-MA RH 12 – 23 / 2076.<br />

51 BARch-MA, RH 12 – 23 / 256;<br />

Katsch an Gutzeit, 26.3.1940.<br />

Vgl. die Berichte von G. Katsch<br />

als Beratender Internist, RH<br />

12 – 23, 70.<br />

52 BArch-MA, RH 12 – 23 / 256; Gutzeit<br />

an Berg, 4.4.1940.<br />

53 Mitscherlich A, Mielke F, Hg.<br />

Medizin ohne Menschlichkeit.<br />

Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses.<br />

Frankfurt / M 1960;<br />

286.<br />

54 Leyendecker B. Die Wirkung<br />

einer Fußnote aus Mitscherlichs<br />

und Mielkes Dokumentation über<br />

den Nürnberger Ärzteprozess,<br />

Hans Voegt im Netzwerk der<br />

Hepatitisforscher vor und nach<br />

1945. In: Oehler-Klein S, Roelcke<br />

V, Hg. Vergangenheitspolitik in<br />

der universitären Medizin nach<br />

1945; 65 – 96. Vgl. Leyendecker<br />

B, Klapp BF. Deutsche Hepatitisforschung<br />

im Zweiten Weltkrieg;<br />

261−293.<br />

Anpassung – Verstrickung – Grenzüberschreitungen<br />

Neben den Gastroenterologen, die Opfer des NS-Regimes wurden, gab es zahlreiche,<br />

die eng mit dem Staat zusammenarbeiteten. Ihr Handeln war geprägt von<br />

Anpassung und zum Teil von direkter Verstrickung. Diese Problematik ist abgesehen<br />

von den individuellen Haltungen im Kontext der Wechselwirkungen zwischen<br />

Wissenschaft und Politik zu betrachten; »die Politik stellt Finanzen und<br />

Infrastruktur bereit; die Wissenschaft liefert Expertise in vielfältigster Form: Gutachten,<br />

Beratung, Fachpersonal für beliebige politische Problemlagen bzw. neue<br />

oder verbesserte Technologien«.43 Im NS-Staat wurden durch die Ideologie von<br />

Volk und Rasse die ethisch-moralischen Grenzen verschoben und Kontrollmechanismen<br />

außer Kraft gesetzt. In diesem Umfeld, zumal während des Krieges,<br />

war es Wissenschaftlern und Ärzten vorstellbar, »alle gegebenen Möglichkeiten,<br />

die in der Logik ihrer wissenschaftlichen Denkbewegungen und Suchstrategien<br />

sinnvoll erschienen, auch tatsächlich auszuprobieren«44.<br />

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges übernahmen die führenden Internisten<br />

neben ihrer Hochschul- und Klinikarbeit die Funktion der sogenannten Beratenden<br />

Ärzte der verschiedenen Wehrkreiskommandos. Hans Wilhelm Bansi, Hans<br />

Heinrich Berg, Hans Eppinger, Erich Grafe, Ferdinand Hoff, Gerhardt Katsch,<br />

Heinz Kalk, Helmuth Reinwein, Richard Siebeck und Franz Volhard gehörten zum<br />

Kreis der Beratenden Internisten.45 Ihre Berichte und Erfahrungen mit den erkrankten<br />

Soldaten und der jeweiligen Behandlung wurden von der Heeressanitätsinspektion<br />

gesammelt und analysiert.46 So hat sich Gerhardt Katsch in dieser<br />

Funktion zur Verwendung Magenkranker und zu ihrer Unterbringung in Lazaretten<br />

geäußert und auf das Problem der Hypochonder hingewiesen.47 Kurt Gutzeit,<br />

neben seiner Tätigkeit als Leiter der Medizinischen Klinik der Universität Breslau<br />

Beratender Internist beim Heeressanitätsinspekteur in Berlin, betrachtete den<br />

»Krieg mit seinem charakteristischen Massenanfall gleicher Erkrankungen« als<br />

»nie wiederkehrende Gelegenheit«48, Erfahrungen durch eine »vergleichende<br />

Therapie« zu gewinnen. Die Beratenden Ärzte partizipierten – zumindest teilweise<br />

– bis 1944 an jenen Fachtagungen der Wehrmachtsärzte, bei denen über Ergebnisse<br />

der »Kriegsforschung« einschließlich der Menschenversuche berichtet wurde.49<br />

So haben Katsch und Kalk an der 4. Arbeitstagung Ost der Beratenden Ärzte<br />

im Mai 1944 teilgenommen, bei der über die Sulfonamidversuche an KZ-Insassen<br />

berichtet wurde.50 Die Funktion des »Beratenden« wurde von den einzelnen Internisten<br />

unterschiedlich ausgeführt. Katsch – militärisch ausgerichtet – führte<br />

regelmäßige Lazarettbesuche durch und gab straffe Anweisungen, er wünschte<br />

sich zudem ein »sinnvolles Kommando«.51 Berg beschränkte sich auf eine konsiliarische<br />

Tätigkeit, wofür er von Gutzeit kritisiert und ermahnt wurde.52<br />

Drei exemplarische »Forschungsprojekte«, bei denen die beteiligten Mediziner<br />

ethische Grundsätze weitgehend ignoriert haben, sollen im Folgenden skizziert<br />

werden.<br />

Kapitel 3<br />

Hepatitis epidemica – Virusforschung und Menschenversuche<br />

In einer Fußnote in Medizin ohne Menschlichkeit haben Alexander Mitscherlich<br />

und Fred Mielke auf die Arbeit von Hans Voegt Zur Ätiologie der Hepatitis epidemica<br />

43

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