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Chronik 2018

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Ismar Isidor Boas<br />

1858 – 1938<br />

Boas wurde 1858 in Posen-Westpreußen in einer jüdischen Familie geboren. Während des<br />

Studiums interessierte er sich für die Physiologie und Pathologie der Verdauung. Innovativ,<br />

unabhängig denkend und keiner Tradition verpflichtet, eröffnete Boas 1886 mit 28 Jahren<br />

in der Berliner Friedrichstraße als erster Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten eine<br />

Praxis und parallel eine Poliklinik mit einem kleinen Labor. So etablierte er die Gastroenterologie<br />

als neues Fachgebiet der Inneren Medizin und prägte sie maßgeblich bis 1933.32<br />

Neben seiner praktischen Tätigkeit als Arzt forschte er gemeinsam mit seinem Mentor<br />

Carl A. Ewald über die Magensekretion, eignete sich die neuen chemischen und bakteriologischen<br />

Methoden an und betrieb ein umfassendes Literaturstudium.33 Er gründete<br />

1895 / 96 das Archiv für Verdauungskrankheiten und gab Anstoß zur ersten Tagung über Verdauungskrankheiten.<br />

In Berlin hielt er zahlreiche Fortbildungskurse über Magen-Darm-<br />

Krankheiten ab. Eine große Zahl in- und ausländischer Ärzte hospitierte bei ihm.<br />

Wissenschaftlich beschäftigte sich Boas mit Fragen der Magenfunktion. Er war an<br />

der Einführung des Ewald-Boasschen Probefrühstücks wesentlich beteiligt und arbeitete<br />

zu Problemen des Magenulcus sowie des Magenkarzinoms. Er beschrieb den Nachweis okkulten<br />

Blutes im Stuhl (Guajak-Test) als diagnostische Methode zur frühen Erkennung von<br />

Tumorerkrankungen des Gastrointestinaltraktes und machte 1903 die Colitis ulcerosa in<br />

Deutschland bekannt. Boas erkannte frühzeitig den Wert der radiologischen Magen- Darm-<br />

Darstellung.34 Stets plädierte er für eine fundierte wissenschaftliche Medizin, für ein kritisches<br />

Hinterfragen der gewonnenen Erkenntnisse und für eine Überprüfung der Wirksamkeit<br />

von Arzneimitteln durch unabhängige Institute.35 Damit antizipierte er Prinzipien der<br />

evidenzbasierten Medizin. Seine Lehrbücher, vor allem seine Diagnostik und Therapie der<br />

Magenkrankheiten (1890), erlebten zahlreiche Auflagen in Deutsch und Englisch. Wegweisend<br />

sind zudem Die Lehre von den okkulten Blutungen (1914) und seine Publikationen zum<br />

Magenulcus. 1901 wurde Boas korrespondierendes Mitglied der American Gastroenterological<br />

Association und 1910 Ehrenmitglied.<br />

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Boas 1933 gezwungen, die Schriftleitung<br />

des Archivs abzugeben. Er emigrierte 1936 nach Wien. 1937 würdigte ihn das Lenox Hill Hospital<br />

(das frühere Deutsche Krankenhaus) in New York mit einem Relief über dem Max Einhorn-Auditorium<br />

neben Portraits von Kußmaul und Ewald.36<br />

Ismar Boas nahm sich im März 1938 nach dem »Anschluss« Österreichs an das<br />

Deutsche Reich das Leben.37 Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee<br />

in Berlin. Seine Ehefrau Sophie Boas, geb. Asch, floh 1938 nach Holland. Sie wurde im<br />

März 1943 nach Sobibor deportiert und ermordet. Der Sohn Kurt Boas, Dermatologe in<br />

Sachsen, wurde 1935 im KZ Sachsenburg inhaftiert, seine Spur verliert sich nach 1938. Eine<br />

Tochter emigrierte im Januar 1939 in die USA.<br />

Ismar Boas wurde trotz seiner Verdienste zunächst vergessen. Es waren Julius Kleeberg<br />

(Jerusalem) und der Engländer Harold Avery, die 1958 an Boas erinnerten.38 Die DGVS<br />

ehrte Boas 1992 mit einer Gedenktafel in der Berliner Charité. Diese wurde nach Umbauarbeiten<br />

im Jahr 2013 an prominenter Stelle zum 75. Jahrestag des Todes von Boas und zum<br />

100. Jahrestag der Gründung der DGVS wieder angebracht. Die alljährlich von der DGVS verliehene<br />

Boas-Medaille sowie der Boas-Preis erinnern an den großen Forscher und Lehrer<br />

der Gastroenterologie.<br />

Kapitel 2<br />

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