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6. Angewandte Navigation und Seemannschaft<br />
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wir bei etwa Beaufort 1 bis 2, lohnt es sich auf manchen Kursen, statt mit<br />
nacktem Mast zu motoren, die Segel zum Antrieb hinzuzunehmen. Dies gilt<br />
insbesondere auf Amwindkurs.<br />
Angenommen das Tagesziel liegt direkt in Luv und der Wind ist so schwach,<br />
dass es einfach zu lange dauern würde, mit sehr geringer Fahrt und etlichen<br />
Kreuzschlägen das Ziel anzusteuern. Viele Skipper entscheiden in einem solchen<br />
Fall, die Segel zu bergen und geradlinig direkt zum Hafen zu motoren.<br />
Bei absoluter Flaute ist dies sicherlich die richtige Wahl. Doch gilt es auch bei<br />
sehr schwachem Wind? Das kommt drauf an:<br />
Es kann sich durchaus lohnen, zumindest das Groß gesetzt zu lassen und mit<br />
etwa 10 bis 20 Grad Winkel zum Wind sehr spitzwinklig kreuzend schräg gegenan<br />
zu motoren. Mit dichtgeholter Großschot wird das Profil des Großsegels<br />
etwa ab 20 Grad am wahren Wind schon günstig genug angeströmt, um einen<br />
merklichen Vortrieb zu erzeugen. Zwar würde dies zum Segeln allein nicht reichen,<br />
aber in Verbindung mit dem Vortrieb des Motors gewinnt das Schiff bei<br />
gleicher Motordrehzahl eine Geschwindigkeit, die deutlich größer ist als allein<br />
unter Motor.<br />
Nun stellt sich die Frage, ob der Geschwindigkeitsgewinn groß genug ist, um<br />
den durch das sehr spitzwinklige Kreuzen hervorgerufenen Weglängennachteil<br />
mehr als auszugleichen. In der Regel ist dies sehr wohl der Fall.<br />
Ein Beispiel: 20 Grad Abweichung vom direkten Kurs verursachen sechs Prozent<br />
mehr Weglänge (siehe Zeichnung). Das bedeutet, dass der Geschwindigkeitszuwachs<br />
durch Motorsegeln größer als sechs Prozent sein muss, um einen<br />
zeitlichen Vorteil zu erreichen. Angenommen das Schiff kann ohne Segel mit<br />
5 Knoten direkt gegenan motoren, so würde eine Fahrt von 5,3 Knoten (sechs<br />
Prozent mehr) beim motorsegelnden Kreuzen ausreichen, um zur gleichen Zeit<br />
am Ziel zu sein. Es ist aber durchaus realistisch, dass der Geschwindigkeitszuwachs<br />
bei gleicher Drehzahl der Maschine durch das zusätzlich gesetzte Groß<br />
deutlich mehr als sechs Prozent – nämlich etwa 1 Knoten – ausmacht. Das<br />
sind aber 20 Prozent mehr Fahrt, gegenüber nur sechs Prozent mehr Weg. Der<br />
Vorteil ist offensichtlich. Auf zehn Seemeilen Strecke ergibt dies einen Zeitvorteil<br />
von etwa einer Viertelstunde (siehe Zeichnung). Für den Rudergänger<br />
ist dies eine besondere Herausforderung, denn er muss das Schiff präzise »an<br />
der Kante halten«, im Grenzbereich zwischen schlagenden Segeln und stehendem<br />
Profil, um einerseits nicht zu viel Wegstrecke zu verlieren, andererseits<br />
das Profil im Segel noch geschwindigkeitssteigernd wirken zu lassen. Oft lohnt<br />
es sich, in dieser Situation den Autopiloten einzusetzen.<br />
Somit gilt: Nur bei absoluter Flaute oder zu schwachem, halbem oder raumem<br />
Wind ist es sinnvoll auf dem geradlinigen Direktkurs mit geborgenen Segeln<br />
zu motoren. Hoch am Wind hingegen lohnt es sich immer, das Groß stehen zu<br />
lassen und spitzwinklig motorend zu kreuzen.