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Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen

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Die alltagssprachliche Verwendung des Steuerungsbegriffs impliziert u.a.: Der Steuermann<br />

steht am Ruder und lenkt das (Staats)Schiff durch die unruhige See, „durch die Untiefen und<br />

Strudel politischer Konflikte“ (Ulrich 1994: 85) 16 . Er zwingt dem Schiff seinen Willen auf und<br />

bestimmt souverän die Richtung. Dieses Bild ist die Grundlage eines patriarchalischen Modells,<br />

in dem „der Politik eine Führungsrolle bei der Gestaltung sozialer Beziehungen“ (ebd. 21)<br />

zugesprochen wird. Die Vorstellung möglicher und erfolgreicher hierarchischer Steuerung<br />

steht also in der „ehrwürdigen Tradition des politischen Denkens in Europa“ (ebd.). Der Staat<br />

als Spitze der Gesellschaft ist danach in der Lage, Einfluß auszuüben, regulative Politik<br />

durchzusetzen. Diese Überbewertung politischer Steuerungsfähigkeit findet auch heute noch<br />

seinen Ausdruck darin, daß in der öffentlich Diskussion, „den politisch verantwortlichen<br />

Funktionsträgern weit mehr Ereignisbeherrschung [zugestanden wird], als diese auch unter<br />

günstigsten Umständen haben könnten“ (Scharpf 1991: 630) 17 . Aus demokratie– bzw.<br />

legitimitätstheoretischer Sicht ist eine Aufgabe oder Modifikation der hierarchischen<br />

Steuerungstheorie von mannigfachen Schwierigkeiten begleitet (vgl. für die Umweltpolitik<br />

Druwe 1991: 215 ff.). Man denke dabei z.B. an das Problem der Zuschreibung von<br />

Verantwortung bei gewählten politischen Akteuren.<br />

In modernen Gesellschaften ist die hierarchische Überordnung des Staates über die<br />

ausdifferenzierten gesellschaftlichen Teilsysteme erodiert. Staat bzw. politisches System<br />

können nicht länger als unumstrittene Spitze der Gesellschaft fungieren: „Sie verfügt weder<br />

über eine Spitze, noch über ein Zentrum, von denen die Steuerung der Gesellschaft ausgehen<br />

könnte“ (Münch 1994b: 382). Vielmehr haben Steuerbarkeit von ausdifferenzierten<br />

Subsystemen und Steuerungsfähigkeit des politischen Systems ihren<br />

Selbstverständlichkeitsstatus verloren. Im Komplexitätsgrad von Gesellschaften und ihren<br />

multikausalen Funktionszusammenhängen liegt die Ursache: „Das politische System ist<br />

interdependent mit der funktional differenzierten Gesellschaft und dem internationalen System<br />

verflochten“ (Druwe/Görlitz 1992: 148). Dem Problem, ob und wie Politik der ihr<br />

zugeschriebenen Funktion der Produktion kollektiv bindender Entscheidungen in einer<br />

veränderten Gesamtsituation gerecht werden kann, ist mit den analytischen a priori<br />

Festlegungen des Mayntzschen Steuerungsbegriffs nicht beizukommen.<br />

1.1.3 Konsequenzen<br />

Um oben genannten Schwierigkeiten und Widersprüchen zu begegnen und veränderten<br />

gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung zu tragen, wandelte sich seit Beginn der 70er Jahre<br />

die vorherrschende handlungstheoretische Akteursperspektive politikwissenschaftlicher<br />

Steuerungstheorie zunehmend in eine Systemperspektive:<br />

„Steuerung wird nun nicht mehr ausschließlich als intentionale Aktivität des politischen Systems<br />

aufgefaßt, sondern als Kombination aus ‘Bottom-Up’ und ‘Top-Down’ Aktivitäten von Staat und<br />

Gesellschaft. Als Begriffe haben sich dafür kooperative, konkordante, korporatistische oder dezentrale<br />

Steuerung herausgebildet“ (Druwe 1994: 65).<br />

16 Man denke an die berühmte Karikatur über Bismarck: „Der Lotse geht von Bord“ (1890). Vgl. zu der Metapher der<br />

„Steuerung des Staatsschiffes“ auch Voigt (1991: 173).<br />

17 Wie verfestigt diese Vorstellung ist ist, zeigt auch K. von Beyme auf: „Selbst wenn Politiker ahnen, daß sie nicht<br />

handeln können, erschallt der Ruf der Wähler nach ihren Taten. Politik kann den Anspruch nicht aufgeben, in anderen<br />

Lebensbereichen zu intervenieren...“ (1991: 23).<br />

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