Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
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Hypothese aus, daß die innovative Dynamik von Industriegesellschaften systematisch Risiken<br />
und Gefahren produziert (vgl. Beck 1986: 25 ff.) und dies sozusagen zu ihren<br />
Grundbedingungen gehört, bedeutet eine konsequente Durchsetzung des Vorsorgeprinzips,<br />
dieser innovativen Dynamik und gleichzeitigen Risikoproduktion ein Ende zu setzen 29 .<br />
„Würde der Gedanke, Umweltgefahren überhaupt nicht entstehen zu lassen, konsequent in der Politik<br />
verfolgt, so müßte dies dazu führen, jegliches potentiell die Umwelt gefährdende wirtschaftliche und<br />
sonstige Tun zu unterbinden“ (Wicke 1982: 83).<br />
Dies wäre gleichbedeutend mit der (Selbst)Abschaffung moderner Industriegesellschaften.<br />
Dagegen hält E. U. von Weizsäcker fest, daß das Vorsorgeprinzip in dieser „bizarren<br />
Übertreibungsform“ in der Diskussion keine Rolle spielt (vgl. 1994: 150). Es gehe vielmehr um<br />
eine Abwägung, in der Prioritäten gesetzt und Vor– und Nachteile gegeneinander abgewogen<br />
werden müssen. Alternativen sollten so anschaulich gemacht werden, daß eine „rationale<br />
demokratische Mehrheitsfindung“ möglich wird (ebd. 151). Was aber nichts anderes heißt, als<br />
daß Mittel und Wege gefunden werden müssen, um das Informationsdilemma in den Griff zu<br />
bekommen 30 . Die schmale Gratwanderung zwischen überzogenen Restriktionen und<br />
verantwortungslosem laissez-faire 31 verlangt eine hohe politische<br />
Informationsverarbeitungskapazität. Da die Bedeutung nicht-intendierter Folgen 32 im<br />
Umweltbereich besonders dramatisch zum Vorschein kommt, versuchen die zentralen<br />
politischen Makroakteure Lösungen zu finden, die mittels institutionalisierter Rahmensetzung<br />
den Prozeß der Entscheidungsfindung formalisieren. Beispiele dafür sind Umwelt– und<br />
Sozialverträglichkeitsprüfung, Technikfolgenabschätzung, Öko-Auditing oder die vielfach<br />
eingesetzten Ethikkommissionen. All diese Institutionen sollen gewährleisten, daß durch<br />
standardisierte Verfahren umweltrelevante Fragen dauerhaft bearbeitet werden (vgl. van den<br />
Daele 1993: 243 ff.). Sie entlasten die Politik von der Frage, ob eine Entscheidung negative<br />
ökologische Konsequenzen haben könnte und deshalb kritisch geprüft werden soll. Vielmehr<br />
wird jetzt grundsätzlich davon ausgegangen, daß eine Vielzahl von Entscheidungen ökologisch<br />
brisante Folgen nach sich ziehen können, weil sie ein unbekanntes Gefahrenpotential beinhalten<br />
(vgl. Wicke 1982: 82). Deshalb sollen diese Fragen vorher einer eingehenden Prüfung<br />
unterzogen werden.<br />
Letztlich können auch solche Prüfungen keine abschließende Sicherheit bieten. Aber sie<br />
können erwartbare Probleme sichtbarer und unterschiedliche Bewertungen transparenter<br />
machen. Und tragen somit zu der Möglichkeit einer rationaleren Entscheidungsfindung bei<br />
(siehe oben die Forderung von von Weizsäcker), weil im Zuge dieser Verfahren verwertbare<br />
Daten produziert werden (vgl. Kosz: 1995: 29). Es ist sicherlich nicht zuweit gegriffen, dieses<br />
29 M. Kosz plädiert daher für die Einführung des „Vorsichtsprinzips“: „Die Anwendung des Vorsichtsprinzips<br />
(„precautionary principle“) geht davon aus, daß Technologien, Produkte, Verfahren und Systeme mit Risiken behaftet<br />
sind, die die Wissenschaft nicht (exakt) quantifizieren kann.“ Und weiter: „Das Vorsichtsprinzip ist demnach aus<br />
wirtschaftswissenschaftlicher Sicht eine Position risikoaversen Verhaltens hinsichtlich Entscheidungen, die (1)<br />
unbekannte Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten zukünftiger negativer externer Effekte betreffen, und (2) generell<br />
unbekannte Auswirkungen zur Folge haben“ (1995: 26).<br />
30 Zur prinzipiellen Unmöglichkeit das Informationsproblem zu lösen vgl. Kirsch 1989: 260 ff.<br />
31 Vgl. dazu z.B. die Kontroversen über die Gentechnik oder die Nutzung der Atomenergie in der Bundesrepublik<br />
Deutschland.<br />
32 Vgl. zu dieser Thematik das Buch „Folgen. Entwurf für eine aktive Politik gegen schleichende Katastrophen“ von Carl<br />
Böhret (1990)<br />
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