Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
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Als direkte Reaktion auf diese Katastrophe und um die Handlungsfähigkeit der Regierung<br />
unter Beweis zu stellen, wurde am 5.Juni 1986 – also nur knapp eineinhalb Monate später –<br />
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gegründet. Die<br />
überhastete Einrichtung eines neuen Ministeriums muß dabei keineswegs als umweltpolitisch<br />
innovative Tat gewürdigt werden, da es mit dieser Maßnahme nicht gelungen ist,<br />
„Umweltpolitik ökologiegerecht als Querschnittsaufgabe institutionell zu verankern“ (Malunat<br />
1994: 9). J. Hucke verweist allerdings auf die geringeren „verwaltungsinternen<br />
Reibungsverluste“ und den Erfolgsdruck des neuen Ressorts, „verstärkt eigene Initiativen“<br />
entwickeln zu müssen (1990: 391). Außerdem wurde im Bundestag ein Umweltausschuß<br />
eingerichtet, der sich als treibende Kraft bei der Einsetzung der Bundestags-Enquete-<br />
Kommissionen 25 hervortat, deren Arbeit weit über die Grenzen Deutschlands hinaus große<br />
Anerkennung erfährt.<br />
Auf diese kurze ‘Phase des Übergangs’ (1986-1987) folgte eine ‘Phase der Präzisierung’.<br />
Mit dem Amtsantritt des ausgewiesenen Experten Klaus Töpfer als Umweltminister im Mai<br />
1987 wurden viele Gesetzesvorhaben mittlerer Größenordnung auf den Weg gebracht und<br />
verabschiedet, so z.B. das Gesetz über die Umwelthaftung (1990), die Kleinfeuerungsanlagen-<br />
Verordnung (1988) und insbesondere das wichtige Bundesimmissionsschutz-Gesetz (1990).<br />
Damit erreichte die Bundesrepublik in einigen Umweltschutzbereichen (z.B. in der<br />
Luftreinhaltung) eine sowohl europaweite als auch internationale Spitzenstellung. Doch trotz<br />
all dieser unbestreitbaren Erfolge spitzte sich die Lage weiter zu: Treibhauseffekt und<br />
Ozonloch als globale, Waldsterben, Grundwasserverschmutzung, Altlasten, Müll und Verkehr<br />
als regionale Probleme sind nur einige der zahlreichen Stichpunkte aus der Liste von<br />
Umweltproblemen.<br />
Am Ende der 80er Jahre scheint der ‘klassische’ Umweltschutz einer medial orientierten<br />
Nachsorgepolitik an seine Grenzen gelangt zu sein: Es beginnt eine ‘Phase des Zweifels’. Die<br />
technologisch ausgerichtete ‘end-of-pipe’ Umweltpolitik, die mittels Auflagen und<br />
Grenzwerten die negativen Auswirkungen der Produktions– und Konsumptionsstruktur von<br />
Industriegesellschaften zu mindern versucht, ist nicht mehr in der Lage, den neuartigen<br />
Problemen adäquat begegnen zu können. B. Malunat faßt diesen Tatbestand folgendermaßen<br />
zusammen:<br />
„Trotz der notwendigen Präzisierungen der inhaltlichen Regelungstiefe umweltrechtlicher Normen ist<br />
an der Umweltfront keine Entwarnung eingetreten, eher schon eine Verschärfung. Dieses scheinabare<br />
Paradox verdeutlicht die Grenzen der bisherigen umweltpolitischen Orientierungen, deren<br />
Instrumentarium seit den frühen Anfängen allenfalls graduell modernisiert wurde“ (1994: 10).<br />
Diese Beurteilung ist keine randständige Einzelmeinung, sondern gilt in umweltpolitischen<br />
Expertenkreisen als einzig zutreffende Analyse. So schreiben z.B. Jessinghaus/von Weizsäcker:<br />
„In Wirklichkeit sind wir sehr weit davon entfernt, die Umweltkrise auch nur ansatzweise gelöst zu<br />
haben. Ja, wir machen uns meistens sogar etwas darüber vor, worin die Umweltkrise eigentlich besteht.<br />
Sie geht in Wirklichkeit wesentlich tiefer als es durch die Stichworte Luft– und Wasserverschmutzung,<br />
Lärm und Abfälle angedeutet ist“ (1992: 16).<br />
M. Rodi bemerkt dazu: „Ohne Zweifel befindet sich das ordnungsrechtliche Instrumentarium, das nach<br />
wie vor den Kern staatlicher Umweltpolitik darstellt, in der Krise. Die grundsätzliche Verbesserung der<br />
25 Es handelt sich dabei um folgende Enquete-Kommissionen: „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des 11.<br />
Deutschen Bundestages; „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 12. Deutschen Bundestages; „Schutz der<br />
Erdatmosphäre“ des 12. Deutschen Bundestages.<br />
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