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Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen

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der Bundesrepublik sind europaweit die meisten Rauchgasentschwefelungs– und Entstickungsanlagen in<br />

Betrieb“ (Wilhelm 1994: 80) 88 .<br />

Die mit Abstand wichtigsten Emissionsquellen von SO 2 waren Kraft– und Fernheizwerke (vgl.<br />

BMWi 1994: 42). Bei diesen stationären Anlagen standen den umweltpolitischen Akteuren<br />

eindeutig identifizierbare Verursacher gegenüber, die über einen hohen Organisationsgrad<br />

verfügen 89 . Es gelang, die interne Struktur der Umweltverwaltungen „korrespondierend zu der<br />

ausdifferenzierten und hochkomplexen Umwelt“ (Druwe 1994: 66), in diesem Fall der<br />

Energieversorgungsunternehmen, aufzubauen: Ein entscheidender Schritt bei der Bearbeitung<br />

des Varietätsproblems. Die Voraussetzungen dafür, daß Steuerungsvorgaben ignoriert oder<br />

umgangen werden konnten, wurden weitestgehend ausgeschaltet, z.B. weil spezialisiertes<br />

Fachwissen bei den Umweltbehörden institutionalisiert werden konnte 90 . Gegen den teilweise<br />

erheblichen Widerstand der Akteure wurde der Einbau von Rauchgasentschwefelungsanlagen<br />

durchgesetzt, obwohl eine „handlungsfähige Organisation sektorspezifischer Interessen“<br />

durchaus in der Lage sein kann, „Veto-Macht auszuüben und gesellschaftliche<br />

Problemlösungen zu blockieren“ (Mayntz 1987: 105). Beim Versuch, einen Anstoß zur<br />

strukturellen Ökologisierung des Energie– und Wirtschaftssystems zu geben, stellt sich die<br />

Situation anders dar. Hier lautet der Ansatz,<br />

„wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen politisch so zu beeinflussen, daß Ressourcen geschont<br />

und Schadstoffemissionen minimiert werden. Hierzu gehören beispielsweise die durchgehende<br />

Berücksichtigung und hohe politische Gewichtung von Energiespar-Gesichtspunkten<br />

(Energiesparpolitik), die Favorisierung des öffentlichen Nah– und Fernverkehrs und ‘sanftere’ Formen<br />

der Chemie mit geringem Risikopotential“ (von Prittwitz 1990: 57 f., Hervorhebung JC).<br />

In der Energiesparpolitik sind es nicht die wenigen zentralen Anlagen (wie z.B. Kraftwerke),<br />

die über die größten Einsparpotentiale 91 verfügen, sondern die Masse der Verbraucher in der<br />

Industrie, die Haushalte und der Verkehr (vgl. Enquete-Kommission 1995: 260 ff.; von<br />

Weizsäcker 1994: 74). Damit wird die gesamte Bandbreite der gesellschaftlichen Akteure<br />

umfaßt. Im Gegensatz zu den eindeutig bestimmbaren Hauptverursachern von Gesundheit und<br />

Wald schädigenden Schwefel– oder Stickstoffemissionen ist eine Politik der Verringerung des<br />

Ressourcen-Inputs mit einer unüberschaubaren Masse an Akteuren konfrontiert, die über<br />

jeweils völlig unterschiedliche und spezifische Einsparpotentiale verfügen. Mit der Reichweite<br />

des Eingriffs vergrößert sich die Variablenmenge (vgl. Görlitz 1990: 16): Industriebetriebe<br />

88 Es soll nicht unbemerkt bleiben, daß beim Einsatz von Filtertechnologien hochgiftiger Sondermüll anfällt. Nicht<br />

Emissionsvermeidung, sondern mediale Umschichtung ist die Folge nachsorgender end-of-pipe-Technologien.<br />

89 R. Mayntz weist im Zusammenhang der politischen Steuerbarkeit von „handlungsfähigen Akteuren höherer Ordnung<br />

(Organisationen, Verbänden“) darauf hin, „daß in größeren, intern differenzierten Organisationen der gesamte<br />

Interaktionsstil für rechtsförmige Regelungen besonders offen sei“. Auch die Tatsache, „daß Organisationen infolge<br />

entsprechender struktureller und prozeduraler Vorkehrungen in ihrem Handeln tendenziell rationaler und damit auch<br />

berechenbarer sind als das Ergebnis kumulierender bzw. aggregierter Individualhandlungen, erhöht die<br />

Steuerungsmöglichkeiten“ (1987: 103).<br />

90 Die ordnungsrechtlichen Grundlagen schuf die Großfeuerungsanlagen-Verordnung nach der 13. BImSchV: Sie stellt<br />

materielle Anforderungen an Kohle, Öl und gasgefeuerte Anlagen, „insbesondere zur Begrenzung von Stoffen, die zum<br />

Problem „saurer Regen“ beitragen (SO 2 , NO x , HCL, HF)“ (Wicke 1991: 181). Beyer u.a. prognostizieren unter<br />

Verweis auf eine Studie des Umweltbundesamts bis 1998 weitere „beträchtliche Verminderungen“ dieser<br />

Massenschadstoffe. Zurückzuführen sind diese Emissionssenkungen dabei unter anderem „auf die insbesondere den<br />

Energieerzeugungs- und Industriesektor betreffende Großfeuerungsanlagenverordnung und andere<br />

immissionsschutzrechtliche Regelungen (1993: 9, Hervorhebung JC).<br />

91 Im Bericht der Enquete-Kommission wird der Potentialbegriff unterschieden in Erwartungs-, wirtschaftliches,<br />

technisches und theoretisches Potential (vgl. 1995: 257). Hier sind die technischen Einsparpotentiale gemeint.<br />

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