Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
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Für eine Industriegesellschaft, die permanent Risiken produziert, ist eine effiziente<br />
Gefahrenabwehr unabdingbar, weil sie im Notfall viele Leben retten kann. Neben extremen<br />
Formen, wie der automatischen Regelung (z.B. Selbstabschaltungsmechanismen bei<br />
Kernkraftwerken) und dem Katastrophenschutz, gibt es eine Reihe von ‘Mischformen’, wie<br />
Alarm– und Störfallverordnungen, ‘Rote Listen’ bedrohter Pflanzen– und Tierarten und<br />
amtliche Informationen über spezifische Schadstoffbelastungen (vgl. von Prittwitz 1990: 75;<br />
Decker 1994: 122). Um Gefahrenabwehr als eigenen Handlungstyp gegenüber anderen<br />
abzugrenzen und die notwendige Trennschärfe beizubehalten, handelt es sich bei diesem Typ<br />
immer um konkrete Gefahrensituationen, denen begegnet werden muß. Präventive<br />
Maßnahmen, die im Sinne einer Gefahrenabwehr interpretiert werden könnten, gehören somit<br />
nicht zum Handlungsfeld Gefahrenabwehr, sondern in den Bereich des Risikomanagement.<br />
Gefahrenabwehr ist ein Feld der klassischen Umweltpolitik; angesichts konkreter Belastungen<br />
und Schäden (z.B. durch Smog in Ballungsgebieten) und der wachsenden Bereitschaft der<br />
Betroffenen sich dagegen zur Wehr zu setzen, war der Staat zum Handeln gezwungen, um<br />
wenigstens bei den folgenreichsten Problemen Abhilfe zu schaffen.<br />
2.3.2 Risikomanagement<br />
Im Unterschied zur Gefahrenabwehr gründet sich das Risikomanagement auf der Annahme,<br />
daß durch ökonomische Produktions– und Kosumptionsprozesse in Industriegesellschaften<br />
jederzeit Gefahrensituationen existent sind. Risikomanagement oder Risikovorsorge heißt<br />
vorderhand nichts anderes als der Versuch, die entstehenden Risiken rational abzuarbeiten,<br />
nicht jedoch sie abzuschaffen. Durch die Produktion von umweltrelevanten Informationen soll<br />
zunächst eine Entscheidungsgrundlage geschaffen werden. Aus der Wahrscheinlichkeit des<br />
Eintritts der Gefahrensituation und dem dann voraussichtlich auftretenden Schaden ermitteln<br />
Experten die einzuleitenden Maßnahmen. Die Faktoren Vermeidungs– bzw.<br />
Minimierungskosten von Risiken, Wahrscheinlichkeit und Höhe des Schadens werden mittels<br />
einer Kosten-Nutzen-Abwägung ‘optimiert’ (vgl. Decker 1994: 122; ausführlich mit<br />
Praxisbeispielen Wicke 1991b: 32 ff.). Risikomangement bedeutet grundsätzlich<br />
„Risikooptimierung: Risiken sollen (und können) nicht beseitigt, sondern lediglich in einem<br />
möglichst günstigen Verhältnis von Kosten und Nutzen bewältigt werden“ (von Prittwitz 1990:<br />
78). Muß die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls möglichst ausgeschlossen werden, wie bei der<br />
Betreibung von Atomanlagen, entstehen durch das notwendige systematische<br />
Risikomanagement hohe ökonomische Handlungskosten.<br />
Rationales Risikomangement stößt dabei auf Probelem, z.B. das Informationsproblem. Nur<br />
bekannte Risiken sind einer rationalen Erfassung und Bearbeitung zugänglich. Die Geschichte<br />
der Umweltpolitik zeigt aber deutlich, daß immer wieder scheinbar ‘harmlose’ Aktivitäten<br />
langfristig schwerwiegende Folgen nach sich gezogen haben. Ein Beispiel bietet das<br />
Treibhausgas Kohlendioxid. Die durch Verbrennung emitierte Gasmenge schädigt die<br />
Menschen und ihre Umwelt nicht direkt, aus gesundheitlichen Aspekten wäre das<br />
Emissionsniveau unbedenklich: „Kohlendioxid gehört, vom ökologischen Standpunkt aus<br />
betrachtet, zu den lebensnotwendigsten Stoffen überhaupt“ (Ring 1994: 34). Erst die<br />
Langzeitwirkung über den Treibhauseffekt 45 ist die Grundlage der Katastrophenszenarien in<br />
Modellsimulationen. Der noch vor 20 Jahren weitgehend unbekannte Effekt wurde sukzessive<br />
45 Vgl. dazu Kap. 3<br />
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