Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
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Wenn mittelständische Betriebe, Haushalte oder gar Einzelpersonen an die Stelle weniger<br />
Organisationen treten und damit die „Zahl der Adressaten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich<br />
einer Behörde sprunghaft wächst“ (Mayntz 1987: 104), heißt das für die ordnungsrechtlich<br />
geprägte Energiesparpolitik, daß selbst bei effizientem Ressourceneinsatz eine Überforderung<br />
des politisch-administrativen Systems zu befürchten ist.<br />
Eine weitere Seite des Wissensproblems zeigt sich im Phänomen der ‘Gleichzeitigkeit’: In einer<br />
Gesellschaft laufen permanent Prozesse ab, die wegen ihrer Simultaneität für die Akteure<br />
wechselseitig unbeobachtbar bleiben. So kommt es, daß umweltpolitische Instanzen in ihrem<br />
Wissensstand permanent hinter den neuesten Entwicklungen zurückbleiben. Sind z.B.<br />
bestimmte Adressaten von Steuerung nicht an einer Umsetzung technischer Innovationen<br />
interessiert, verzögert sich möglicherweise der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Einsatz des<br />
‘Standes der Technik’.<br />
4.3.3 Implementationsproblem<br />
Bisher ist bei der Analyse der Implementation von Energiesparpolitik durch Ordnungsrecht<br />
unberücksichtigt geblieben, daß der Steuerungsakteur Staat selbst ein „komplexes mehrstufiges<br />
Akteurssystem“ ist (Mayntz 1987: 97). So besitzen z.B Vollzugsorgane hierarchischer Politik<br />
eigene Handlungsspielräume, die sie in Bargainingprozessen mit Normadressaten nutzen:<br />
„Ursprünglich verband die Implementationsforschung mit der Gesetzgeberperspektive die Vorstellung,<br />
daß zwischen Programmformulierern, Verwaltung und Adressaten eine klare hierarchische Beziehung<br />
besteht, die das normkonforme Verhalten sichert. Dieses bürokratische Hierarchiemodell deckte sich<br />
jedoch nur in den seltensten Fällen mit der Wirklichkeit. Weder sind die Beziehungen zwischen den<br />
verschiedenen Implementationsinstanzen noch zwischen ihnen und den Programmadressaten<br />
durchgehend hierarchisch geordnet“ (Uebersohn 1990: 116).<br />
Deshalb können sowohl die politikinterne Übermittlung von Steuerungsvorgaben zwischen<br />
verschiedenen Hierarchieebenen als auch die Prozesse zwischen Behörde und Klientel als<br />
eigene Steuerungsobjekte aufgefaßt werden: „Der Implementationsprozeß selbst [...] muß im<br />
Interesse wirksamer Zielverfolgung zum Steuerungsobjekt werden“ (ebd. 97; vgl. auch Druwe<br />
1994: 63). Dies gilt eo ipso für das Politikfeld Umweltpolitik im allgemeinen und das Policy-<br />
Netz 99 der Energiesparpolitik im besonderen. D.h., daß die gesetzgeberisch tätigen Instanzen<br />
relevante Informationen über das Steuerungsobjekt ‘Implementationsstrukturen und –prozesse<br />
des Policy-Netzes’ besitzen müssen, um die unverfälschte Durchführung ihrer<br />
Steuerungsintention zu gewährleisten. Hierdurch sind die politischen Akteure mit einer<br />
weiteren Verschärfung der Komplexitäts– und Informationsproblematik konfrontiert (vgl.<br />
Druwe/Görlitz 1992: 150).<br />
Bei der Durchsetzung konkreter Normen der Energiesparpolitik, wie z.B. definierten<br />
Verbrauchsobergrenzen von bestimmten Feuerungsanlagen, droht durch das Bargaining-<br />
Verhalten der Umweltbehörden eine Wiederholung des schon sprichwörtlichen<br />
Vollzugsdefizits in der Umweltschutzpolitik (vgl. Hucke/Ullmann 1980: 107). Konnte der<br />
Konflikt zwischen umweltpolitischen Akteuren und Hauptverursachern in der SO 2 -<br />
Verminderungspolitik noch weitgehend zugunsten des Umweltschutzes gelöst werden, besteht<br />
die Gefahr, daß lokale Instanzen den Vollzug von scharfen Energiesparvorschriften nur<br />
zurückhaltend betreiben, wenn Normadressaten auf mögliche negative Konsequenzen<br />
99 Zum Begriff des Policy-Netzes vgl. Pappi (1993: 84 ff.)<br />
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