Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
Projekt Ökosteuer - Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Umweltfragen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gemeinsam ist diesen Konzeptionen die Erkenntnis, daß in hochkomplexen Politikfeldern<br />
hierarchische Steuerung im eigentlichen Wortsinn nicht möglich ist. Dezentrales Policy-Making<br />
gewinnt Konturen durch die Aufgabe zentraler Definitionsmacht des Staates. Nicht-staatliche<br />
Akteure haben maßgeblichen Anteil an Entscheidungen. So intervenieren klassische<br />
Interessenvertretungsinstitutionen, wie Verbände, nicht nur in der Programmplanungsphase,<br />
sondern partizipieren am gesamten Steuerungsprozeß: Von der Programmentwicklung bis zur<br />
Implementation. In der Umweltpolitik äußert sich dies z.B. in der Beteiligung von<br />
Betroffenengruppen (Industrie, Umweltverbände) an Verhandlungen, die lokal-dezentral zu<br />
speziellen Umweltschutzthemen durchgeführt werden. Folgt man der Argumentation von<br />
Druwe/Görlitz hat die Entwicklung der politikwissenschaftlichen Steuerungstheorie zwar zu<br />
einer Relativierung der Steuerungsfähigkeit des Steuerungsakteurs ‘politisches System’ und<br />
der Steuerbarkeit des Steuerungsobjekts ‘Gesellschaft’ geführt, grundsätzlich werden sie aber<br />
nachwievor vorausgesetzt (1992: 151 f.). Zusammenfassend basiert das Steuerungsverständnis<br />
auf der Vorstellung,<br />
„die politische Steuerung der Gesellschaft im Sinne einer ursächlichen Einflußnahme sei prinzipiell<br />
möglich, wenn am Steuerungsprozeß auch andere Akteure als das politische System partizipierten. Die<br />
erwähnte kausalstrukturelle Konzeption von Steuerung, die beim politischen Akteur ansetzt, bleibt<br />
zentraler Ausgangspunkt, wenn gegenwärtig auch multikausal argumentiert wird. Konsequent verfährt<br />
in diesem Kontext allein Mayntz, die solchen Zusammenhängen den Steuerungsbegriff verweigert“ (ebd.<br />
152 f.).<br />
Angesichts der zahlreichen Probleme, mit denen sich Vertreter klassischer, deterministischer,<br />
hierarchischer Steuerungskonzepte konfrontiert sehen, lautet das Fazit von U. Druwe:<br />
„Ergänzt man die angeführten Steuerungsprobleme um die Ergebnisse netzwerkanalytischer bzw.<br />
institutionentheoretischer Policyanalyse, die belegen, daß kooperative, dezentrale Steuerung in<br />
hochkomplexen Policies die Regel ist, dann sind zwei Schlußfolgerungen zu ziehen:<br />
1. Der Steuerungspessimismus ist – im Gegensatz zu Scharpfs These – empirisch und theoretisch sehr<br />
wohl begründet;<br />
2. Die traditionelle Steuerungsdefinition – wie sie von Mayntz und Scharpf verwendet werden – ist<br />
empirisch in den Sozialwissenschaften widerlegt“ (1994: 67).<br />
1.2 Mediale Steuerung<br />
Die aufgezeigten Steuerungsprobleme, die prinzipiell nicht lösbar sind, führten zu der Einsicht<br />
neue Wege gehen zu müssen. Um zumindest theoretisch erfolgreichere Steuerungskonzepte zu<br />
entwickeln, nähert man sich dem Untersuchungsgegenstand unter einem anderen Blickwinkel.<br />
Erfolgversprechend scheint dabei die von den chilenischen Neurobiologen H. Maturana und F.<br />
Varela entwickelte ‘Theorie der Autopoiese’ zu sein, die die Grundlage der<br />
sozialwissenschaftlichen Diskussion um ‘Selbstorganisation’ und ‘Selbststeuerung’ bildet. Die<br />
Übertragung dieser Theorie 18 auf soziale Systeme liefert die Basis für die Entwicklung einer<br />
medialen Steuerungskonzeption, wie sie von U. Druwe und A. Görlitz ausgearbeitet wurde.<br />
Sie wird hier in Grundzügen referiert (vgl. zum folgenden insbesondere Druwe 1994 und 1989;<br />
Druwe/Görlitz 1992; Görlitz 1990). Gegenüber dem bisherigen Verständnis von Steuerung<br />
weist das mediale Steuerungsverständnis gravierende Unterschiede auf. Die Vorstellung der<br />
18 Wissenschaftstheoretisch korrekt muß die „Theorie der Autopoiese“ als Modell klassifiziert werden (vgl. Druwe 1989:<br />
35 ff.).<br />
16