Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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Oliver Bierhoff: Aneignung und Enteignung<br />
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vatisierung natürlicher Ressourcen mit Hilfe der naturrechtlichen Argumentation<br />
(»Frucht eigener Arbeit«) höchst fragwürdig. Ebenso steht es um die Annahme,<br />
dass alles, was in Privateigentum überführt wurde, zuvor quasi »frei« war, von<br />
niemandem besessen und genutzt. Und wer, müssen sich die Konventionalisten<br />
angesichts der unbestreitbaren Tatsache des Vorhandenseins zahlreicher Nicht-<br />
EigentümerInnen fragen lassen, sind diejenigen, die sich wechselseitig als EigentümerInnen<br />
anerkennen? Und wie sind sie zu EigentümerInnen und die anderen<br />
zu Nicht-EigentümerInnen geworden?<br />
Aufschlussreicher scheinen da eher Ansätze einer kritischen Eigentumstheorie<br />
in der Tradition von Marx. Sein Verdienst ist es, den Eigentumsbegriff aus seiner<br />
juristisch verengten Fassung gelöst und zentrale Aspekte eines ökonomisch-gesellschaftlichen<br />
Verständnisses von Eigentum entwickelt zu haben. Eigentum<br />
beruht demnach auf einem Prozess, bei dem die private Aneignung von Gütern<br />
mit einer gesellschaftlichen Enteignung einhergeht, indem die betreffenden<br />
Güter monopolisiert, privaten Profi tinteressen unterworfen und öffentlichen<br />
Nutzungschancen entzogen werden. Davon ausgehend lässt sich insbesondere<br />
die Geschichte der Moderne als eine kontinuierliche Abfolge von Trennungs-<br />
und Enteignungsprozessen begreifen, die die gesellschaftlich umfassende<br />
Ausbildung von Privateigentum erst ermöglichten. Eigentum ist somit immer<br />
Aneignung und Enteignung zugleich, da es immer andere ausschließt. Deutlich<br />
wird damit auch, dass es beim Eigentum nicht lediglich um Verhältnisse von<br />
Personen und Sachen geht, wie es in bürgerlichen Eigentumstheorien erscheint,<br />
sondern vor allem um Verhältnisse zwischen Personen in Bezug auf bestimmte<br />
Sachen, also um gesellschaftliche Verhältnisse. Die Objekte, Güter, Ressourcen,<br />
die im Hinblick auf Aneignungsprozesse von Interesse sind, sind dabei in<br />
aller Regel solche, die für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben von<br />
entscheidender Bedeutung sind (z.B. Produktionsmittel, Produkte, Ressourcen).<br />
Eigentumsfragen sind entsprechend nicht bloß juristische oder philosophische,<br />
sondern eminent politische. Sie befassen sich damit, wie etwa die Mittel zur<br />
Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens verteilt sind und<br />
welche Konsequenzen sich daraus für die Verteilung von gesellschaftlichen<br />
Teilhabe- und Lebenschancen ergeben. Aus dieser Perspektive gehört die<br />
Eigentumsfrage nach wie vor zu den zentralen Konfl iktlinien des modernen<br />
Kapitalismus. Denn Ungleichheit, Macht und Herrschaft werden maßgeblich<br />
durch die Möglichkeit bestimmt, sich Güter aneignen und über Eigentum verfügen<br />
zu können – oder eben nicht.<br />
Zugleich stellt sich die Eigentumsfrage aber auch mit Blick auf mögliche<br />
Wege zu einer anderen, einer solidarischen Ökonomie. Dabei sollte die berechtigte<br />
Kritik an der Vorherrschaft kapitalistischen Privateigentums nicht mit einer<br />
Pauschalkritik jeglichen Eigentums nach dem Motto »Eigentum ist Diebstahl«