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Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag

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Philipp Gerber: <strong>Solidarische</strong>r Kaffeehandel<br />

Kollektive drüben<br />

Die Kooperative Mut Vitz – »Berg der Vögel« in der Maya-Sprache Tzotzil<br />

– wurde für die zapatistischen Bauernfamilien der Region El Bosque und<br />

Simojovel im Hochland Mexikos zum Symbol ihrer Identität als »Bauern im<br />

Widerstand«. Rund 500 Familien sind darin organisiert, jährlich exportieren sie<br />

150 bis 250 Tonnen Rohkaffee zu einem fairen Preis mit Bio-Zuschlag in den<br />

alternativen und fairen Handel. Die Kooperative ist in erster Linie ein kollektiver<br />

Verkaufskanal. Die BäuerInnen sind nach gescheiterten Experimenten des<br />

Kollektivanbaus von Kaffee in den 1980er Jahren wieder zur Produktionseinheit<br />

Familie zurückgekehrt. Schweinezucht oder Gemüseanbau werden dagegen<br />

heute wieder kollektiv betrieben.<br />

Während des halben Jahres, in dem ich die Kooperative im Rahmen einer<br />

ethnologischen Feldforschung bei ihrer Arbeit begleitete, durchlebte sie auch<br />

tiefe Krisen. Eines der Grundprobleme besteht im Anspruch, die Geschäfte der<br />

Kooperative ohne bezahlte FunktionärInnen zu betreiben, ganz im Sinne des<br />

indianischen »cargo« (Last, unentgeltliche Aufgabe für die Gemeinde). Andere<br />

Kooperativen stellen mindestens einN professionelleN BeraterIn an oder beauftragen<br />

ein ganzes Gremium mit der Vermarktung. Nicht so die Zapatistas, die<br />

aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit nicht mehr von BeraterInnen<br />

abhängig sein wollen. »Wir kommen alleine voran«, wie die Mitglieder<br />

voller Stolz sagen: Einfache BäuerInnen übernehmen im Rotationsprinzip die<br />

»cargos«, auch die des Vorstandes. Daneben bleibt den »cargo«-TrägerInnen<br />

allerdings kaum mehr Zeit, um die eigenen Kaffeefelder zu ernten.<br />

Nach der zapatistischen Ideologie sollten deshalb die anderen Gemeindemitglieder<br />

zur Unterstützung der »cargo«-TrägerInnen auf deren Feld mithelfen,<br />

doch selten wird diese Hilfe zur Zufriedenheit erfüllt. Viele BäuerInnen<br />

empfi nden dies als zusätzliche, aufgezwungene Arbeit – und unterschätzen<br />

die Verwaltungsarbeit für die Kooperative grundsätzlich. Denn ein Kooperativenpräsident<br />

geht ja in die Stadt und erledigt »Papierkram« – und macht sich<br />

dabei die Hände nicht schmutzig und den Rücken nicht krumm. So bleibt den<br />

Kooperativenverantwortlichen nichts anderes übrig, als sich auf die Solidarität<br />

innerhalb der Familie zu verlassen, um die fi nanziellen Einbußen während der<br />

Amtszeit von zwei Jahren in Grenzen zu halten. Der kurze Kommentar eines<br />

Vorstandsmitglieds umschreibt seine Situation treffend: »Ich muss einfach<br />

durchhalten, weil mich meine Genossen wählten.«<br />

Allen Schwierigkeiten in der Verwaltung zum Trotz: Mut Vitz ist ein Erfolgsmodell,<br />

ja ein Vorzeigeprojekt der Zapatistas. Dazu zählt nicht nur der<br />

erfolgreiche Export des Kaffees, sondern auch die Umstellung der Produktion<br />

auf biologische Landwirtschaft. Der Bioanbau erfordert Mehrarbeit auf dem<br />

Feld, ist aber Vorbedingung für den Marktzugang. Für die BäuerInnen ist diese<br />

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