Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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Elisabeth Voß: <strong>Solidarische</strong> Alternativen in der Gesundheitsversorgung<br />
oder sich an den Pfl egekosten zu beteiligen. »Die Alten« gelten als Problem in<br />
einer reichen, aber zunehmend sozial gespaltenen Gesellschaft, Behinderungen<br />
sollen durch vorgeburtliche Auslese vermieden werden. Leistungsfähigkeit und<br />
Gesundheit stehen hoch im Kurs, was gerade vor dem Hintergrund der deutschen<br />
Geschichte mit der systematischen Vernichtung »lebensunwerten Lebens« zu<br />
denken gibt.<br />
Projekte in Deutschland<br />
Aus der Kritik an einer entmündigenden, einseitig schulmedizinisch ausgerichteten<br />
Apparatemedizin entwickelte sich im Zuge der alternativen Bewegungen<br />
eine Vielfalt an naturheilkundlichen und therapeutischen Angeboten. Nur wenige<br />
dieser neuen Methoden werden von Krankenkassen anerkannt, die Leistungen<br />
von HeilpraktikerInnen und KörperpsychotherapeutInnen müssen in der Regel<br />
aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Es entstanden verschiedenste Selbsthilfegruppen,<br />
die Beratung und gegenseitigen Austausch anbieten. Um Selbstbestimmung<br />
bis zum Schluss geht es in der Hospizbewegung, Schmerzlinderung<br />
und würdiges Sterben werden durch die Zusammenarbeit von bezahlten und<br />
ehrenamtlichen HelferInnen ermöglicht.<br />
Ein Kristallisationspunkt der Frauenbewegung war der Kampf gegen den<br />
§218. Alice Schwarzer initiierte 1971 die Selbstbezichtigungskampagne, bei<br />
der 374 Frauen im Stern erklärten: »Ich habe abgetrieben und fordere das Recht<br />
für jede Frau dazu.« Der Anspruch auf Selbstbestimmung über den eigenen<br />
Körper beinhaltet bis heute die Kritik an einer männerdominierten Medizin, die<br />
Organisierung eigenen Wissens und die Entwicklung auf Frauen abgestimmter<br />
schulmedizinischer Behandlungsmethoden und Medikamente sowie alternativer<br />
medizinischer Ansätze. So blickt z.B. das Berliner Feministische Frauengesundheitszentrum<br />
(FFGZ) auf eine 33-jährige erfolgreiche Geschichte zurück. Es<br />
bietet Gesundheitskurse und fachkundige Beratungen an und bemüht sich um<br />
Mitwirkung an gesundheitspolitischen Entscheidungen.<br />
In Assistenzgenossenschaften schließen sich Menschen mit Behinderungen<br />
zusammen, die nicht passiv gepfl egt werden wollen, sondern die Unterstützungsleistungen,<br />
die sie benötigen, gemeinsam selbst organisieren. Immer mehr<br />
Hausprojekte entstehen, in denen Menschen unterschiedlichen Alters gemeinsam<br />
leben und sich bei Krankheit oder altersbedingter Hilfebedürftigkeit gegenseitig<br />
unterstützen. Mehr oder weniger selbstorganisierte Altenwohngemeinschaften<br />
können eine Alternative zur Pfl egeeinrichtung sein.<br />
In der anthroposophisch ausgerichteten Artabana-Bewegung organisieren<br />
sich Menschen in lokalen Gruppen. Sie zahlen monatliche Beiträge in Gesundheitsfonds<br />
ein, auf die sie im Notfall zurückgreifen können, ohne einen Rechtsanspruch<br />
auf Zahlung. Krankheit wird als Herausforderung zur individuellen<br />
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