Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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198 Politische Rahmenbedingungen <strong>Solidarische</strong>r Ökonomie<br />
Kampagne ihrer Organisationen glücklicherweise garantiert, nachdem ein<br />
Versuch gemacht worden war, die Mitgliedereinlagen in Genossenschaften<br />
als Schulden zu betrachten.<br />
■ Informelle, aber einfl ussreiche Meinungen über die Tatsache, dass Genossenschaften<br />
ihr Einlagenkapital für externe Aktionäre öffnen sollten, wurden<br />
während einiger Kommissionssitzungen erwogen. Sonst seien Genossenschaften<br />
angeblich Hindernisse für das heilige Recht auf die Etablierung von<br />
Unternehmen in der EU. Diese Meinung, die erstaunlicherweise die FinanzinvestorInnen<br />
als UnternehmerInnen wahrnimmt, berücksichtigt nicht, dass<br />
die geschlossene Natur des genossenschaftlichen Einlagekapitals gesetzlich<br />
in den EU-Ländern geschützt ist und mit der Natur von Genossenschaften<br />
als Mitgliederorganisationen zu tun hat. Als RepräsentantInnen europäischer<br />
genossenschaftlicher Organisationen in Brüssel haben wir sofort reagiert und<br />
die Andeutung verschwand zunächst wieder.<br />
■ Ein Kommissionsvorschlag, der mit Unternehmensführung (»corporate governance«)<br />
verknüpft war, versuchte das »eine Einlage eine Stimme«-System<br />
zur Regel in der EU zu machen und stellte damit das grundlegende Genossenschaftsprinzip<br />
»eine Person eine Stimme« in Frage. Alle in Brüssel<br />
angesiedelten genossenschaftlichen Organisationen haben sofort stark auf<br />
den Vorschlag reagiert. Nach intensiver Lobbyarbeit, wurde ein Genossenschaftsvertreter<br />
zu dem einfl ussreichen »Corporate Governance Committee«<br />
der Europäischen Kommission zugelassen, wo er in einer Position ist, die ihm<br />
erlaubt, die Stimme der genossenschaftlichen Andersartigkeit zu erheben.<br />
Eine grundlegende Frage für Genossenschaften und <strong>Solidarische</strong> Ökonomie<br />
im Allgemeinen ist die der »Dienstleistungen im allgemeinen Interesse«<br />
(DAI), die bereits während der Verhandlung der so genannten Bolkestein- oder<br />
Dienstleistungsrichtlinie 2006 deutlich wurde. Der jetzige Versuch besteht<br />
darin, so viele Sektoren wie möglich durch die Schaffung von Unterkategorien<br />
wie »wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse« zu<br />
liberalisieren, ohne sie richtig zu defi nieren und ohne zunächst einmal DAI<br />
zu defi nieren. DAI und der Begriff des allgemeinen Interesses selbst gehen<br />
an die Wurzeln der Existenz von Genossenschaften, von denen ein Teil direkt<br />
solche Dienstleistungen zur Verfügung stellt. Einige wichtige soziale Akteure,<br />
wie die Europäische Gewerkschaftskonföderation, haben ihre Position zu DAI<br />
bekannt gegeben und die genossenschaftlichen Organisationen sind gerade bei<br />
der Vorbereitung ihrer eigenen Position, bevor ein neuer Text der Europäischen<br />
Kommission in Bezug auf diese Frage publiziert wird, der eine erneute Lobbyinitiative<br />
erfordern wird.<br />
Die zukünftige EU-Politik gegenüber Genossenschaften und <strong>Solidarische</strong>r<br />
Ökonomie wird weitgehend von der Balance abhängen, die die EU zwischen der