Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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46 Praxis und Projekte <strong>Solidarische</strong>r Ökonomie weltweit<br />
Monika Schillat<br />
Weil im Tauschring Zeit nicht Geld ist, wird keineR reich<br />
und niemand bleibt arm!<br />
Tauschringe sind eine soziale Erfi ndung, die nicht zufällig seit den 1990er Jahren<br />
auch in der Bundesrepublik boomt. Wesentliche Ursachen für die Verbreitung<br />
dieses Phänomens sind die Massenarbeitslosigkeit und die damit verbundenen<br />
Ausgrenzungstendenzen. Offi ziell fi nden Tauschringe als volunteer enterprises<br />
(Freiwilligen-Organisationen) noch immer ungenügend gesellschaftliche Anerkennung.<br />
Vor allem wegen des Verdachts, dass es sich um Schwarzarbeit handeln<br />
könnte, werden sie in die Ecke der Schattenwirtschaft gestellt. Für die meisten<br />
Tauschring-Mitglieder sind derartige Verdächtigungen nicht von Belang. Im<br />
Vordergrund steht der vielfältige praktische wirtschaftliche und soziale Nutzen<br />
der Tauscharbeit.<br />
Wie funktionieren Tauschringe?<br />
Im Tauschring gibt es die Möglichkeit, zwischen allen Angeboten und Nachfragen<br />
dieser Form erweiterter Nachbarschaftshilfe, vor allem in Form von<br />
haushaltbezogenen Dienstleistungen frei zu wählen. Der Vorteil besteht darin,<br />
dass es sich nicht auf einen Direkttausch als Zweierbeziehung reduziert, sondern<br />
jedem Tauschring-Mitglied der gesamte Tauschpool zur Verfügung steht. Die<br />
erbrachten und in Anspruch genommenen Leistungen werden über eine frei<br />
erfundene Verrechnungseinheit verbucht. Die Verrechnungseinheiten nennen<br />
sich z.B. »Talente« oder »Peanuts« bzw. mit Bezug auf die Örtlichkeit z.B. in<br />
Berlin-Kreuzberg »Kreuzer«, in Berlin-Marzahn »Marzehner«. Verrechnet wird<br />
in den meisten Tauschringen die geleistete und in Anspruch genommene Zeit.<br />
Demzufolge wird in den Teilnahmebedingungen festgelegt, wie viel eine für<br />
andere verausgabte Lebenszeit-Stunde wert ist. So entspricht im Kreuzberger<br />
Tauschring eine Stunde 20 Kreuzern. Mit der Kontoführung wird eine Balance<br />
zwischen Geben und Nehmen angestrebt, wodurch eine individuelle »Verschuldung«<br />
oder ein »Horten« vermieden wird. Für den Tauschring insgesamt sind<br />
die Tauschakte ein Nullsummenspiel, d.h. Soll und Haben sind stets ausgeglichen.<br />
Für die/den einzelneN TauscherIn ist jeder Tauschakt ein Zugewinn: als<br />
GebendeR erhält sie/er eine Gutschrift, als NehmendeR kann sie/er sich geldlos<br />
zusätzliche Bedürfnisse befriedigen. Auf diese Art und Weise wird im Tauschring<br />
keiner reich, aber es bleibt auch niemand arm!<br />
Ein weiterer Vorteil für die Tauschring-NutzerInnen ist die Regelung, dass<br />
– entgegen der Gepfl ogenheiten auf dem »allgemeinen Arbeitsmarkt« – die