Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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210 Politische Rahmenbedingungen <strong>Solidarische</strong>r Ökonomie<br />
dem Zwang zur Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt zahlreiche Probleme für<br />
(Produktiv-)genossenschaften. Es ergebe sich daraus »[…] die widerspruchsvolle<br />
Notwendigkeit für die Arbeiter, sich selbst mit dem ganzen erforderlichen<br />
Absolutismus zu regieren, sich selbst gegenüber die Rolle des kapitalistischen<br />
Unternehmers zu spielen«. Eine solche Selbstausbeutung fi ndet zum Teil auch<br />
heute statt, wenn Genossenschaften in prekären Strukturen gefangen bleiben.<br />
Eine mögliche Folge des Konkurrenzdrucks ist laut Rosa Luxemburg, dass<br />
sich die Genossenschaft »zur kapitalistischen Unternehmung […] rückentwickelt«.<br />
Dieses Ergebnis ist heute zum Beispiel bei den großen Genossenschaftsbanken<br />
zu beobachten, bei denen die ursprünglichen, egalitären Genossenschaftsprinzipien<br />
im täglichen Geschäft nur eine untergeordnete Rolle spielen.<br />
Dass die Genossenschaften lange Zeit aus der gewerkschaftlichen Diskussion<br />
in Deutschland verschwunden waren, hängt vor allem damit zusammen, dass<br />
das große gewerkschaftliche Gemeinwirtschaftsprojekt »Neue Heimat« und<br />
die »Coop AG«, vormals aus Konsumgenossenschaften hervorgegangen, in den<br />
1980er Jahren im »kapitalistischen Sumpf« aus Korruption und persönlicher<br />
Bereicherung versanken.<br />
Politische Handlungsoptionen zur Förderung solidarischer Genossenschaften<br />
Um diese Entwicklung zu verhindern und den solidarischen Genossenschaftsgedanken<br />
zu bewahren, ist linke Politik gefragt.<br />
Die UN-Generalversammlung hat die Bedeutung von Genossenschaften für<br />
Entwicklung und Armutsverringerung betont. Die Internationale Arbeitsorganisation<br />
(ILO) beschloss 2002 eine Empfehlung an ihre Mitgliedsstaaten, der<br />
zufolge »die Förderung von Genossenschaften als eine der Säulen nationaler<br />
und internationaler wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung« angesehen<br />
werden müsse. Sie fordert die Mitgliedsländer weltweit auf, die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen festzulegen und die für die Stärkung von Genossenschaften<br />
wesentlichen Entwicklungsträger zu schaffen.<br />
Dabei dürfen allerdings nicht die Genossenschaften den Rahmenbedingungen<br />
angepasst werden, um sie durch schleichende Angleichung an Kapitalgesellschaften<br />
wettbewerbsfähiger zu machen, wie es die EU und auch die Bundesregierung<br />
mitunter verfolgen – etwa indem die Möglichkeiten, Mehrstimmrechte<br />
für bestimmte Genossenschaftsmitglieder zu vergeben, oder »investierende<br />
Mitglieder« zuzulassen, ausgeweitet werden. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen<br />
so gestaltet werden, dass ein solidarisches Wirtschaften ohne<br />
Selbstausbeutung und ohne die Aushöhlung des Genossenschaftsgedankens<br />
gefördert wird. Beispiele für sinnvolle Maßnahmen sind etwa im italienischen<br />
Genossenschaftsrecht zu fi nden, in dem die Verpfl ichtung auf genossenschaftliche<br />
Ziele als Bedingungen für die Förderung festgeschrieben wurde.