Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag
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62 Neoliberaler Umbau und <strong>Solidarische</strong> Ökonomie<br />
Elisabeth Voß<br />
<strong>Solidarische</strong> Ökonomien als Alternativen<br />
zum Neoliberalismus<br />
Was heute unter Neoliberalismus verstanden wird, markiert einerseits den<br />
weltweiten Siegeszug der kapitalistischen Wirtschaftsweise durch Wegfall<br />
der Systemkonkurrenz. Andererseits verweist er auf das Ende des rheinischen<br />
Industriekapitalismus und mit ihm auch der Ideen zu seiner Reformierbarkeit<br />
durch die Gegenmacht organisierter ArbeiterInnen. Die Spaltung in Oben und<br />
Unten wird zum dominierenden Prinzip: Im Süden werden eine Reihe von Ländern<br />
dauerhaft von wirtschaftlicher Entwicklung abgehängt, im Norden stehen<br />
atomisierte Einzelne einer Übermacht scheinbar alternativloser Sachzwänge<br />
gegenüber. Neben den menschlich, sozial und politisch katastrophalen Folgen<br />
mit zunehmender Verelendung und Entdemokratisierung droht der Zusammenbruch<br />
des gesamten Ökosystems.<br />
Wirtschaftliche Alternativen sind dringend erforderlich, ihre Keimformen<br />
längst vorhanden. Die Wertschöpfung hierzulande erfolgt nur scheinbar überwiegend<br />
durch Lohnarbeit in hierarchischen Ausbeutungsverhältnissen. Diese<br />
ist jedoch nur möglich durch andere Arbeitsformen wie Versorgungsarbeit<br />
– meist im familiären Rahmen, Tätigkeiten zur Selbstversorgung (Eigenarbeit)<br />
und eine Vielzahl von Aufgaben, die Menschen freiwillig in der Gesellschaft<br />
übernehmen (Ehrenämter, bürgerschaftliches Engagement). Erst die Gesamtheit<br />
dieser Tätigkeiten, eine »Nachhaltige Mischarbeit«, wie sie im Entwurf einer<br />
Lokalen Agenda für Berlin enthalten war, schafft Wohlstand oder zumindest<br />
ein notdürftiges Auskommen. Diese Überlebensstrategien sind in anderen<br />
Regionen der Welt deutlich anders akzentuiert. So wirtschaften nach Aussage<br />
von Norman Chipakupaku heute etwa 80% der Weltbevölkerung in den Ländern<br />
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zur Selbstversorgung im Rahmen von<br />
Strukturen einer »peoples’ economy«. In Europa entstanden Genossenschaften<br />
als »Kinder der Not« zur wirtschaftlichen Selbsthilfe, wenn Markt oder Staat<br />
zum Beispiel den Bedarf an Wohnraum, gesunden Lebensmitteln oder Krediten<br />
nicht befriedigen konnten.<br />
Es gibt kein einheitliches Konzept einer <strong>Solidarische</strong>n Ökonomie, aber eine<br />
unüberschaubare Vielzahl sowohl praktischer Projekte als auch theoretischer<br />
Abhandlungen zu alternativen, gemeinschaftlichen, genossenschaftlichen,<br />
sozialen oder wie auch immer sich verstehenden Formen des Wirtschaftens.<br />
Ihre Qualität als Alternativen zum Neoliberalismus gewinnen sie, indem sie<br />
praktisch oder theoretisch den Anspruch auf Alleinherrschaft der kapitalistischen