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Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hrsg.) Solidarische ... - VSA Verlag

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78 Neoliberaler Umbau und <strong>Solidarische</strong> Ökonomie<br />

mehr und mehr Kapital in die Unterstützung neuer Hausprojekte fl ießen kann.<br />

Damit wird ein Weg bestritten, der nicht auf immer billigere Mieten hinaus läuft<br />

(letztlich auch nur eine Privatisierung von Gewinnen), sondern einen sich selbst<br />

erneuernden, expansiven Topf an Förderkapital installiert: einen revolvierenden<br />

Solidarfonds. Dieses Modell einer solidarischen Gegenökonomie boomt in einem<br />

Umfang, von dem die Privatwirtschaft nur träumen kann. Waren es vor fünf<br />

Jahren noch zehn, so sind es heute bereits über 30 realisierte Syndikatsprojekte<br />

mit ca. 850 BewohnerInnen. Dabei ist der dahinter stehende Gedanke keinesfalls<br />

neu. Ganz im Gegenteil.<br />

Die Idee einer Gegen-Ökonomie, die in der Lage ist, mit dem kapitalistischen<br />

Markt zu konkurrieren und ihn Stück für Stück zurückzudrängen, existiert<br />

bereits seit den so genannten utopischen SozialistInnen. Sie verfolgten damit<br />

den Aufbau einer libertären, sozialistischen Gesellschaft ohne revolutionären<br />

Umsturz. Davon hielt die Politik der Ersten Internationale und der SPD vor dem<br />

ersten Weltkrieg nicht viel. Stattdessen trat Letztere sogar dafür ein, solchen<br />

Projekten entgegenzutreten, da durch sie die »falsche Idee« transportiert würde,<br />

die Befreiung der Arbeiterklasse könne auf anderem Weg als der Eroberung der<br />

politischen Macht geschehen.<br />

Im Zuge der Novemberrevolution stand die SPD 1918 dann auch ziemlich<br />

konzeptlos vor der Frage, wie denn nun die auf der Tagesordnung stehende<br />

Sozialisierung konkret angegangen werden könne, da niemand wusste, »wie die<br />

langersehnte und erstrebte Überführung der Produktionsmittel aus den Händen<br />

Privater in die Gesellschaft zu vollziehen sei« (Weiss 1930).<br />

Mit dem Scheitern der sozialistischen Revolution und dem ergebnislosen<br />

Ende einer Kommission, die Fragen der Vergesellschaftung der Betriebe klären<br />

sollte, machten sich zahlreiche Basis-Initiativen auf den Weg, mit Hilfe von<br />

solidarischen Ökonomieformen die Verwirklichung einer anderen Gesellschaft<br />

konkret anzugehen. Bauhütten, WohnungsreformerInnen und Konsumgenossenschaften<br />

bezogen sich oftmals auf ein Modell, das nicht nur genossenschaftliche<br />

Kooperation gegen privatwirtschaftliche Konkurrenz sondern auch den Aufbau<br />

einer sozialistischen Gegen-Ökonomie mit vergesellschafteten (im Gegensatz<br />

zu verstaatlichten) Betrieben vorsah.<br />

In der Wohnungsreformbewegung begeisterte man sich zum Beispiel für die<br />

Idee eines entschuldeten und von Verwertungsansprüchen befreiten Immobilienbestandes.<br />

MieterInnen müssten hier weder die Zinskosten der (durch Weiterverkäufe<br />

nie endenden) Schuldenlast noch die Profi te der EigentümerInnen<br />

bezahlen, sondern alleine die Betriebskosten. Da dies jedoch lediglich einer<br />

zufälligen NutzerInnengruppe zugute kommen würde, sollte ein Solidarbeitrag<br />

zur Finanzierung künftiger, ebenso entschuldeter Neubauten eingeführt werden,<br />

um so die stetige Expansion des Modells sicherzustellen.

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