Die Sprache des Parfums

2.4.1.4. Varianten des Mikrokontextes: Typ-2
Während beim Mikrokontext Typ-1 ein konventionalisiertes grammati-
sches Stereotyp als textlicher Hintergrund fungiert, von dem sich ein Stil-
faktum kontrastiv absetzen kann, basiert Typ-2 des Mikrokontextes auf
einer modellhaften Struktur, die vom Text selbst etabliert wird. Beim
zweiten Typ des Mikrokontextes besteht „das Stilfaktum in der Variante,
die von einem durch den Text selbst gegebenen Modell abweicht“ (Riffa-
terre 1973: 67). Riffaterre führt als Illustration dieser Bestimmung den
folgenden Textauszug aus Voltaires Candide an:
„La mitre [Kopfbedeckung hoher katholischer Geistlicher] et le san-benito de
Candide étaient peints de flammes renversées et de diables qui n’avaient ni
queues ni griffes; mais les diables de Pangloss portaient griffes et queues, et
les flames etaient droites…
(Die Mitra und der San-Benito von Candide waren mit umgekehrten Flammen
bemalt und mit Teufeln, die weder Schwänze noch Krallen hatten, die Teufel
von Pangloss aber hatten Krallen und Schwänze und die Flammen waren ge-
rade...)“ (zitiert in Riffaterre 1973: 67; Hervorhebungen in der deutschen Ver-
sion von mir).
Der stilistische Effekt in dieser Sequenz kommt, so Riffaterre, durch eine
charakteristische Wiederholungsfigur zustande, deren Konstituenten in
der folgenden tabellarischen Gegenüberstellung isoliert aufgeführt und
merkmalssemantisch indiziert sind:
Wiederholungsfiguren
Candide-Satz (A) gerade Flammen [-] Schwänze [-] Krallen [-]
Pangloss-Satz (B) gerade Flammen [+] Schwänze [+] Krallen [+]
Tabelle 10: Wiederholungsfiguren (Textauszug aus Voltaires Candide)
Riffaterre argumentiert, dass die stilistische Wirkung durch die variierte
Wiederaufnahme der Substantive Flammen, Schwänze, Krallen erreicht
wird. Satz (A) wird im Leseprozess zunächst nicht als auffällig wahrge-
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