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Die Sprache des Parfums

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elementare Bereich, den man gemeinhin mit Psyche umschreibt, also<br />

das emotionale Erleben <strong>des</strong> Menschen. Mit diesem einher geht ein ent-<br />

sprechen<strong>des</strong> mentales Vokabular, das auf Grund <strong>des</strong> einzigartigen indi-<br />

viduellen Erlebens naturgemäß hochgradig subjektiver Natur ist. Und<br />

nicht zufällig ist dieser Gegenstandsbereich der <strong>Sprache</strong> ähnlich schwer<br />

zugänglich wie die Geruchswahrnehmung. Nicht nur, weil die externen<br />

physikalischen Objekte fehlen, auf die man sich referentiell beziehen und<br />

die man als kommunikative Schnittmenge vereinbaren könnte. Überdies<br />

ist die maßgebliche neurophysiologische Beteiligung <strong>des</strong> limbischen<br />

Systems an der kognitiven Verarbeitung sowohl von Gerüchen als auch<br />

von Emotionen für den Konflikt verantwortlich (siehe Abschnitt 1.3.1.2.).<br />

Es sollte daher überhaupt nicht wundern, wenn beispielsweise auch kul-<br />

turellen Produkten wie Musik, Literatur/Lyrik oder anderen Ausprägun-<br />

gen von Kunst, denen emotionale Motive zu Grunde liegen, ebenfalls mit<br />

Mitteln eines referentiellen Sprachgebrauchs nicht angemessen beizu-<br />

kommen ist.<br />

In der neunten Klasse kommentierte mein damaliger Deutschlehrer eine<br />

meiner Formulierungen in einem Aufsatz mit ‚blumiger Stil’. Ich weiß<br />

nicht mehr, was ich geschrieben hatte, worauf sich dieser Kommentar<br />

bezog. Ich erinnere mich aber noch genau, dass ich die Formulierung<br />

gelungen und vor allem passend für das fand, was ich ausdrücken woll-<br />

te. Der Lehrerkommentar war allerdings als negative Kritik gemeint.<br />

Wahrscheinlich hat der Lehrer das zweifelsohne vorhandene kreative<br />

Potenzial dieser gewissen Formulierung nicht wertschätzen können, weil<br />

ihm möglicherweise Jakobsons Sprachmodell nicht bekannt war.<br />

<strong>Die</strong>se Anekdote berührt ebenfalls das skizzierte Problem der chroni-<br />

schen Überschätzung der referentiellen Sprachfunktion und damit vice<br />

versa die chronische Unterschätzung der anderen Funktionen. Im Um-<br />

gang mit Literatur, insbesondere mit Lyrik tauchen nach wie vor stan-<br />

dardgemäß Fragen auf wie: ‚Was will uns der Dichter damit sagen?’ oder<br />

diejenige nach der ‚Intention <strong>des</strong> Autors’. Erstere zielt dabei auf die refe-<br />

rentielle, letztere auf die konative (appellhafte) Sprachfunktion ab. <strong>Die</strong><br />

Frage <strong>des</strong> Stils oder der formalen Qualitäten scheint nach wie vor bei der<br />

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