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Die Sprache des Parfums

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schiedliche Denkgesten ausmachen. Dem Tractatus logico-<br />

philosophicus liegt eine harte, zweiwertige ‚Logik <strong>des</strong> Entweder-Oder’ zu<br />

Grunde, die von eindeutig zuzuordnenden Wahrheitswerten zu Sätzen<br />

oder Äußerungen über Gegenstände und Sachverhalte ausgeht und kei-<br />

ne semantischen Schattierungen zulässt. <strong>Die</strong> Grenze zwischen dem<br />

‚Entweder’ und dem ‚Oder’, zwischen Reden oder Schweigen, versucht<br />

Wittgenstein sprachlich sichtbar zu machen.<br />

Das unermüdliche Ringen um die Versprachlichung <strong>des</strong> gewissermaßen<br />

jenseits dieser Grenze liegenden angeblich Unsagbaren in den Philoso-<br />

phischen Untersuchungen dagegen basiert auf einer weicheren ‚Sowohl-<br />

als-auch-Logik’. Bei dieser Auffassung haben als Mengen gedachte Beg-<br />

riffe nicht klar gezogene, starr definierte Grenzen. Nicht zuletzt gilt daher<br />

auch letzteres Werk als eine Startmarkierung <strong>des</strong>sen, was später als<br />

Prototypentheorie oder Prototypensemantik Karriere gemacht hat und<br />

noch immer macht (siehe Abschnitt 1.1.5. ff. im Theorieteil).<br />

Dem scheinbaren Widerspruch ‚Klar-Sagen-Können vs. Schweigen-<br />

Müssen’ liegt ein gängiges Missverständnis zu Grunde. Der Irrtum be-<br />

steht in der einigermaßen naiven Annahme, dass alle Dinge, denen man<br />

mit <strong>Sprache</strong> beizukommen versucht, sich prinzipiell auch dafür eignen,<br />

sprachlich klar dargestellt zu werden. Dass man sich nur lange und flei-<br />

ßig und gründlich genug bemühen muss, um einen Sachverhalt klar dar-<br />

zustellen.<br />

<strong>Die</strong>se landläufige Sprachauffassung geht von einer unzulässigen Verein-<br />

fachung der Realität aus. Sie basiert auf der Annahme, es gäbe in der<br />

Welt einfach Dinge und Sachverhalte, die man nur richtig zu benennen<br />

braucht – und dann ist alles klar. Aber:<br />

„Wenn wir sagen: ‚je<strong>des</strong> Wort der <strong>Sprache</strong> bezeichnet etwas’ so ist damit vor-<br />

erst noch gar nichts gesagt; es sei denn, daß wir genau erklärten, welche Un-<br />

terscheidung wir zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß wir die Wörter<br />

der <strong>Sprache</strong> (…) von Wörtern ‚ohne Bedeutung’ unterscheiden wollten, wie sie<br />

in Gedichten Lewis Caroll’s vorkommen oder von Worten wie ‚juwiwallera’ in<br />

einem Lied)“ (Wittgenstein 2 1980: 22).<br />

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