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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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der Erschließung von Bewußtseins- und Erfahrungsfeidern haben,<br />

deren Wert kaum in ihrer Effizienz für Überlebensstrategien zu<br />

verrechnen ist? Kürzer gefaßt: Ist Lernen wesentlich eine lebensnotwendige<br />

Technik oder ist es eine Kultur der Welterschließung,<br />

also die Weise, wie der Mensch nicht nur in der Weltoffenheit<br />

handelt, sondern sich Weltoffenheit als solche überhaupt<br />

erst gewinnt? Unsere Zeit neigt dazu, Lernen vor allem im Hinblick<br />

auf soziale Qualifikation zu begreifen. Lernen erscheint<br />

zumeist als Instrument zur Statusgewinnung und Statussicherung.<br />

Geht aber, so müßte man fragen, Lernen in seiner fundamentalanthropologischen<br />

Bedeutung in der sozialen Qualifizierung- auf?<br />

Oder ist Lernen nicht weit mehr als eine soziale Anpassungstechnik,<br />

in seiner Höchstform nicht nur rezeptive Qualifikation für<br />

vorgegebene Ziele, sondern deren produktive Bestimmung selbst?<br />

Dann aber läge der „eigentliche" Sinn von Lernen letztlich in<br />

der „Leistung der Bildung". Sie wäre die entscheidende Legitimation<br />

von Lernprozessen und nicht das abstrakte Gerüst der objektiven<br />

Qualifikationen, zumindest nicht es allein.<br />

An solchen Fragen wird spürbar, wie arm eine pädagogische <strong>Anthropologie</strong><br />

werden muß, die - mit Heinrich Roth formuliert - nur<br />

empirisch nach der „Bildsamkeit" des Menschen fragt und nicht<br />

auch nach dessen „Bestimmung". Auf das Phänomen des Lernens angewendet:<br />

der empirische Nachweis, daß der Mensch bildsam sei,<br />

daß er besser als jedes Tier sein Verhalten lernend verändern<br />

könne, entlastet nicht von der anthropologischen Grundfrage,<br />

welchen Sinn die Fähigkeit der Verhaltensänderung über jedes<br />

konkrete Verhaltensziel hinaus und daher im ganzen menschlichen<br />

Dasein hat. Und wenn man auf diese Frage nur mit dem geistigen<br />

Experiment der Interpretation antworten kann, so ist dieses Experiment<br />

doch unverzichtbar. Das gilt insbesondere für eine Zeit,<br />

in der offenbar das Sinn-Experiment anthropologischer Selbsterkenntnis<br />

in dem Maße abnimmt, in dem der Zudrang positiven Wissens<br />

über uns selbst in bislang unbekannter Weise wächst. So kann<br />

die paradoxe Situation entstehen, daß wir uns anscheinend um so<br />

weniger kennen, je mehr wir von uns wissen. Dem entgegenzuarbeiten<br />

ist ohne Zweifel die wichtige Aufgabe einer pädagogischen

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