PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
-8o-<br />
die Dimension der Zeit/ der Lebensgeschichtlichkeit.<br />
Erst vor ihrem Hintergrund wird Vergesellschaftung als<br />
diachrones Phänomen deutlich und das Faktum der Tradition<br />
formuliert sich zur Aufgabe der Tradierung/ die nichts anderes<br />
meint als ein In-Rechnung-Stellen der Endlichkeit menschlichen<br />
Daseins/ die sich in der Erziehung praktisch als Vorsorge<br />
auslegt. Gewiß/ es gibt verschiedene Interpretationen<br />
der Geschichtlichkeit selbst (zyklisch/ forschreitend). Aber<br />
selbst wenn die Geschichte nur als ewige Wiederkehr des Gleichen,<br />
also als in sich zurückkehrende Wiederholung invarianter<br />
Strukturen und ihrer Aufeinanderfolge gesehen wird - selbst<br />
unter Bedingungen einer "geschlossenen" und auf Konstanz der<br />
Traditionen abzielenden Geschichtsauffassung/bleibt doch die<br />
Notwendigkeit/ in der Elternschaft Geschichtlichkeit überhaupt<br />
zu thematisieren/ das heißt: sich dem Faktum eigener Endlichkeit<br />
vorsorgend und im Blick auf die nachfolgende Generation<br />
pädagogisch einzustellen. Der ontologische Sinn der Erziehung<br />
ist durch die Zeitlichkeit menschlicher Existenz verbürgt/<br />
wie immer auch geschichtliche Lebensdeutungen sich im einzelnen<br />
darstellen mögen. Und es ist dieser ontologische Sinn/ der das<br />
Erziehungsphänomen in den Rang grundsätzlicher Selbstvergegenwärtigung<br />
erhebt. Götter brauchen nicht zu erziehen/ weil sie<br />
keine Gegenwart, keine Vergangenheit und am Ende keine ins<br />
Dunkle gehende Zukunft haben. Der Mensch aber muß erziehen/ weil<br />
er in die Geschichte gestellt, weil er sich als Geschichte aufgegeben<br />
ist. Er muß sich an andere weitergeben, so wie er sich<br />
von anderen her empfangen hat. Und das unterscheidet ihn nicht<br />
nur von den Göttern/ sondern auch von den Tieren: "Jeder Vogel<br />
bringt die Geschicklichkeit/ Nester zu bauen/ aus seinem Ei<br />
und nimmt sie auch/ ohne sie fortzupflanzen/ in sein Grab;<br />
die Natur unterrichtet für ihn. Alles bleibt also einzeln, das<br />
unmittelbare Werk der Natur, und so wird keine Progression der<br />
Seele des Geschlechts ... wie es die Natur am Menschen wollte.<br />
Den band sie also durch Not und einen zuvorkommenden Elterntrieb.