PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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einem bornierten Sprachtraditionalismus/ wenn er sich gezwungen<br />
sieht f die Entwicklung von Sprachen a u c h _ von der Suche<br />
nach stabiler Identität in Konflikten abhängig zu machen?<br />
Sein wichtiges Argument verbirgt sich in dem unscheinbaren<br />
Satz: "Die Natur (hat) eine neue Kette geknüpft/ die Überliefe-<br />
rung von Volk zu Volk. So haben sich Künste/ Wissenschaften/<br />
Kultur und Sprache in einer großen Progression Nationen hinab<br />
verfeinert... 11 (Abhandlung/ S. 84) Damit tritt ein neues Prinzip<br />
hervor: das Prinzip der interkulturellen Überlieferung. Es gibt<br />
also zwei Prinzipien kultureller Überlieferung: die intrakulturelle<br />
und die interkulturelle Überlieferung. Die Gleichgewichtigkeit<br />
beider Prinzipien schützt gleichsam vor der Versteinerung ge-<br />
schichtlicher Identitäten und Traditionen. Gäbe es nur eine Über-<br />
lieferung in traditioneller Selbstrerschlossenheit/ so wäre letzt-<br />
lich keine Entwicklung denkbar/ sondern nur monotone Repetition.<br />
Der Kontakt zwischen den Völkern aber - sei es in historischer<br />
Rückblende über Dokumentation oder durch Handel und Verkehr -<br />
bricht die Selbstverschlossenheit auf/ konstrastiert die eigene<br />
mit anderen Denk- und Erfahrensweisen/ läßt Selbstverständliches<br />
im Spiegel anderer Merkwelten "kritisierbar" werden und setzt<br />
auch geistige Konkurrenz frei. Das ist sicherlich auch eine Be-<br />
lastung angestammten Identitätsbewußtseins/ aber vor allem ein<br />
notwendiger Brückenschlag/ der "Progression" erlaubt. Tradition<br />
als interkulturelle Überlieferung - Herder nennt sie eine "neue<br />
Kette der Natur" - ist also das Phänomen und Argument / das Herders<br />
JThe.se von der Entwicklung der Sprachen durch Identität profilieren-<br />
den "Streit" (Antagonismus) modifiziert und von dem Vorwurf der<br />
Legitimationsbeschaffung für blinde nationale und familiale<br />
Borniertheiten befreit. Allerdings/ man muß die Gleichwertigkeit<br />
interkultureller und intrakultureller Überlieferung für eine<br />
"aufgeklärte" Identitätsbildung unterstreichen. Die Utopie einer<br />
einsprachigen Weltkultu^ liegt nicht im Horizont und auch nicht<br />
in der Intention Herd^rs_. Es wäre für ihn eine Egalisierung/ in<br />
der für ihn alles Identische in Ermangelung eines anderen/ von dem<br />
her es mit sich identisch ist/ unterginge. So käme alles darauf an,