PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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in den Vernunft und Sprache gebracht werden, achtet» Denn ohne<br />
Sprache ist für ihn die Vernunft gleichsam hilflos. Es heißt bei<br />
Herder: "Indessen wären alle diese Kunstwerkzeuge, Gehirn, Sinne<br />
.und Hand auch in der aufrechten Gestalt unwirksam geblieben, wenn<br />
uns der Schöpfer nicht eine Triebfeder gegeben hätte, die sie<br />
alle in Bewegung setzte; es war das göttliche<br />
Geschenk der Rede. Nur durch die Rede wird die<br />
schlummernde Vernunft erweckt, oder vielmehr die nackte Fähigkeit,<br />
die durch sich selbst ewig tot geblieben wäre, wird durch<br />
die Sprache lebendige Kraft und Wirkung. Nur durch die Rede<br />
wird Äuge und Ohr, ja das Gefühl aller Sinne eins und vereinigt<br />
sich durch sie zum schaffenden Gedanken, dem das Kunstwerk<br />
der Hände und anderer Glieder nur gehorchet." (a.a.O. S. 115).<br />
Das heißt zunächst einmal: Vernunft ohne Sprache ist ohnmächtig,<br />
so wie es bedeutet, daß Sprache Vernunft hervorbringe in der<br />
Weise, daß sie zur Wirkung, zur Entfaltung gelange. Aber worin<br />
besteht nun bei Herder das Eigentümliche der Sprache? In einer<br />
groben Anzeige läßt sich sagen, Sprache könne zweierlei bedeuten.<br />
Einmal meint Sprache ein Inventar von Bezeichnungen<br />
mitsamt den Regeln ihrer, Verknüpfung. Das wäre Sprache in der<br />
Bedeutung eines "Ausdrucksmittels", das man zur Verfügung hat,<br />
um damit seine Gedanken akustisch oder im Falle dokumentierender<br />
Schrift auch optisch zu äußern. Der Aspekt, der damit hervortritt,<br />
ist der instrumentelle Aspekt der Sprache. Eine andere<br />
und hintergründigere Bedeutung erhält Sprache (und Sprechen),<br />
wenn sie nicht als zweckrationales Äußerungsmittel, sondern als<br />
vermittelndes "Medium" betrachtet wird, in das der einzelne<br />
Mensch immer schon eingetaucht ist, bevor er in subjektiv gesteuerten<br />
Sprechaktionen Bestimmtes und Konkretes aussagt.<br />
Sie ist eine fundamentale Weltsicht, eine allem individuellen<br />
Sprechen vorausliegende Seinserfahrung. Im Hinblick auf diesen<br />
urtümlichen Sinn der Sprache formulierte Heidegger das bekannte<br />
Diktum von der Sprache als dem "Haus des Seins".