PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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beherrschung gemeint ist, nämlich nicht nur eine moralische Ein-<br />
schränkung des natürlichen Egoismus der Selbsterhaltung, sondern<br />
ein Kulturprogramm der Selbstbildung, der "Selbst-Stiftung" durch<br />
den Akt der Reflexion/ der die Unmittelbarkeit des Bei-sich-<br />
selbst-Seins aufbricht, indem er nicht nur zu den Dingen Distanz<br />
erzeugt, sondern auch zur fragilen Existenz des Ich. So gehen<br />
Sprache und Reflexion zusammen, bilden sie als Einheit von Vernunft<br />
und deutender Besinnung ein Element des Selbstverständnisses, das<br />
sich gerade nicht als pragmatische Herrschaft über Sachen, sondern<br />
als geistiges Verfügen über sich selbst bewährt. Und der Zusammen-<br />
hang von Sprache und Bildung, der den Pädagogen besonders inter-<br />
essiert, ist gerade deshalb von einschneidender Intensität, weil<br />
die Sprache die Bedingung der Möglichkeit jenes ausdrücklichen<br />
Selbstverhältnisses ist, das sich als Bildung im Sinne der Selbst-<br />
beherrschung entfaltet. Man kann deshalb - von Herder her -<br />
argumentieren: Sprachliche Bildung ist kein Sonderfall oder ein<br />
Teilbereich von Bildung, sondern Bildung ist überhaupt nur sprach-<br />
lich möglich, weil es außerhalb der Sprache kein reflektiertes<br />
Selbstverhältnis gibt. Entweder ist also Bildung sprachlich - oder<br />
sie ist nicht Bildung. Es ist daher,in dieser Herderschen Denk-<br />
bahn, ziemlich müßig zu fragen, durch welche Sprache der Mensch<br />
gebildet werde und durch welche nicht. Müßig deshalb, weil es für<br />
die Ermöglichung von Bildung nicht auf eine bestimmte Sprache an-<br />
kommt, sondern auf die Realisierung von Sprachlichkeit überhaupt.<br />
Jede Sprache, so müßte man sagen, ist eine Praxis der Distanzierung<br />
und Reflexion - eine Aufforderung zur "Besonnenheit" und in diesem<br />
Verständnis Herrschaft und Selbstbeherrschung.<br />
Nun bleibt aber immer noch die Frage zu erörtern, inwiefern<br />
der Mensch nur durch die Sprache - durch sie alleine-Kultur ge-<br />
winne, Herrschaft also im aufgezeigten Sinne über sich selbst<br />
und über die Dinge. Wenn Herrschaft die ausdrückliche Selbst-<br />
stiftung menschlichen Lebens meint, welchen grundlegenden Anteil<br />
hat daran die Sprache? Ist sie mehr als Ausdruck, Mitteilung,<br />
Zwischenmenschlichkeit etablierendes Medium? Um hier eine Antwort<br />
zu finden, muß man sich einigen Grundgedanken der Sprachphilosophie