PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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in der Selbstvergegenwärtigung im anderen unter Einsicht in<br />
die Endlichkeit des Menschen meint. Daß wir etwas lernen, indem<br />
wir lehren/ bedeutet nicht nur den einfachen Sachverhalt einer<br />
speziellen Anreicherung von Wissen und Erfahrung zum Zwecke ihrer<br />
didaktisierten Vermittlung - es bedeutet in einem tieferen Sinne,<br />
daß wir die entscheidenden Fragen nach uns selbst überhaupt nur<br />
unter der Herausforderung des Erziehungsgeschäfts stellen können<br />
und müssen. Wie gesagt: die Notwendigkeit zu erziehen konfrontiert<br />
uns mit uns selbst nicht nur in der Rolle des Erziehers, sondern<br />
in der Weise endlich verfaßten Menschentums, das im Anblick der<br />
nachwachsenden Generation seine Endlichkeit "lernt". So wäre<br />
der Verzicht auf Erziehung nicht nur eine biologisch verantwortungslose<br />
Einstellung gegenüber der Hilflosigkeit der Nachkommenschaft;<br />
es wäre auch ein Akt der Selbstblendung durch Verzicht auf sinnhafte<br />
und wesentliche Selbstvergegenwärtigung.<br />
Erziehung ist notwendige Tradierung im Horizont der Endlichkeit.<br />
Und Tradierung ist nicht nur gedankenlose Weitergabe; sie<br />
ist Weitergabe im Modus der Reflexion. Diese aber ist, in der<br />
ursprünglichen Weise ihres Vollzugs, keine abstrakte und folgenlose<br />
Selbstbespiegelung des.Bewußtseins, sondern eine notwendige<br />
Praxis des Aufmerkens auf Erfahrung und Vollzug des Lebens<br />
selbst. Und insofern bedeutet Elternschaft nicht nur ein soziologisch<br />
analysierbares Rollenphänomen, sondern sie ist wesentliche<br />
und grundlegende menschliche Selbsterfahrung. Wenn der symboli-<br />
sche Interaktionismus betont, der Mensch komme zu sich selbst<br />
nur, indem er sich vom anderen her sehe, so könnte sich diese<br />
Theorie der Identitätsgenese in der Tat auf Herder stützen.<br />
Nur, Herder geht über den Rahmen des symbolischen Interaktionismus<br />
hinaus (oder er schränkt ihn - je nach Sichtweise - ein),<br />
wenn er das entscheidende Verhältnis zum anderen im Intimver-<br />
band der Familie aufsucht und die Provokation zur Selbstbesinnung<br />
gerade im Verhältnis zum unmündigen anderen sieht, der noch nicht<br />
im Vollsinn des Wortes "Interaktionspartner" ist, nämlich im Ver-<br />
hältnis zum Heranwachsenden. Was Herder in dieser Akzentuierung<br />
ins Spiel bringt, wenn auch kaum ausdrücklich vermerkt, das ist