PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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Jeder teilt in irgendeinem ganz persönlichen Beispiel die Er-<br />
fahrung, daß es einem wie "Schuppen von den Augen fällt", daß<br />
eine grundsätzliche Einstellung zu sich selbst, ein "Selbstbild"<br />
plötzlich zu revidieren ist in einer Verfassung, die man heute<br />
"Identitätskrise" nennt. Aber Selbsterkenntnis ist nicht nur ein<br />
überraschendes existentielles Ereignis der Welt- und Selbsterschütterung.<br />
Sie ist auch, in unauffälligerer Form, ein Prozeß<br />
kontinuierlicher Besinnung, wenn man so will: eine lebenslängliche<br />
Aufgabe. Nur ist mit dieser Feststellung, die leicht die Zustimmung<br />
des Pädagogen und Menschenfreundes finden wird, noch wenig ausgemacht<br />
über die "sachliche" Problematik, die sich mit der Forderung<br />
der Selbsterkenntnis als Aufgabe der Selbstbesinnung verbindet.<br />
Im Ungefähren weiß zwar jeder, was .damit gemeint ist, aber dieses<br />
Ungefähre ist zu wenig im Rahmen eines anthropologischen Gedankenganges<br />
, der die Spannung von Selbsterkenntnis und Selbstkenntnis<br />
zu einem Kernthema machen möchte.<br />
Wir müssen also noch zugreifender und insistierender fragen,<br />
was denn dieses Selbst der Selbsterkenntnis sei, von dem wir<br />
meinen, daß ihm eine <strong>Anthropologie</strong> in orientierender Absicht<br />
nachfragen müsse. Wenn wir, wie dargelegt, ausschließen, man könne<br />
ihm nicht wie einem beliebigen Objekt beikommen; wenn wir ferner<br />
annahmen, daß das Verhältnis von Erkenntnis und Selbst ein Besonderes<br />
sei, sofern ihm eine bestimmte "Bewegung" eigne, und zwar<br />
eine Bewegung, von der weder das Selbst noch die Erkenntnis unberührt<br />
bleibe - müßte man dann nicht folgern, dieses Selbst sei<br />
entweder ein künstliches Objekt und dann könne man auch etwas<br />
"darüber" sagen, oder es sei, da ständig im Wandel, gar nichts<br />
Bestimmtes und infolgedessen auch nichts Bestimmbares, von dem man<br />
Kenntnis haben könne. Gibt es also nur die Alternative zwischen<br />
einem abstrakten Objekt oder einem dunklen Ereignis, in das<br />
man kein Licht bringen kann und für das man kein Licht schaffen<br />
•kann? Diese Alternative scheint plausibel zu sein, aber sie<br />
ist doch nicht das letzte Wort. Denn zunächst einmal wissen<br />
wir - und zwar mit dem Wissen natürlicher Evidenz -, daß wir<br />
ein Selbst sind. Auch wenn unser Leben uns gelegentlich wie eine<br />
Addition von Brüchen und unzusammenhängenden Ereignisfragmenten