PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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II<br />
Wie also sucht Herder das Wort Humanität evident zu bestimmen,<br />
wobei auch in diesem Wort eine Doppeldeutigkeit schwingt, denn<br />
es bezeichnet einmal die „Eigentümlichkeit" des Lebewesens<br />
Mensch (im Unterschied zu reinen Naturwesen) und es bezeichnet<br />
ein Telos, eine Norm. Humanität im ersten Sinne wäre der<br />
Inbegriff der bereits angezeigten anthropologischen Grundbestimmungen.<br />
Im zweiten Sinne wäre Humanität der Sinn der Menschheitsgeschichte<br />
im einzelnen und im ganzen. Herder ist nun bestrebt,<br />
beide Begriffe zusammenzuschließen. Dieses Zusammenschließen<br />
geschieht über den Weg der Nachzeichnung menschlicher<br />
Entwicklungsgeschichte. Auch hier kann die umfängliche<br />
Darstellung Herders nicht im einzelnen gezeichnet werden. Es<br />
mag daher zunächst der Einweis genügen: Pur Herder tritt der<br />
Mensch in seine eigene (Humanitäts-) Geschichte mit dem naufrechten<br />
Gang". Es heißt: „Der aufrechte Gang des Menschen ist<br />
ihm einzig natürlich; ja ^ r ist die Organisation zum ganzen<br />
Beruf seiner Gattung und sein unterscheidender Charakter." (a.<br />
a.O. S.100) Es überrascht sicherlich, daß Herder den aufrechten<br />
Gang des Menschen als sein wesentliches Unterscheidungsmerkmal<br />
ansieht, dem noch eine höhere Bedeutung zugemessen<br />
wird als den anthropologischen Grundqualitäten von Sprache,<br />
Vernunft, Kunst, Sitte. Aber man muß die Hervorhebung des aufrechten<br />
Gangs aus der Bemühung verstehen, in der natürlichen<br />
Erscheinung des Menschen bereits eine Differenz zu anderen Naturerscheinungen<br />
auszumachen, die offensichtlich und ohne metaphysische<br />
Interpretation überzeugend ist. Der aufrechte Gang,<br />
der die spezifische Gestalt des Menschen ausmachen soll, ist<br />
nach Herder seine augenscheinliche Ablösung von der Unmittelbarkeit<br />
zur Erde und damit eine immense Erweiterung des Gesichts-<br />
und Hörfeldes sowie die Freisetzung der Hand zum Universalinstrument.<br />
Doch Herder sieht den aufrechten Gang nicht<br />
nur als physisch-morphologisches Differenzierungsmerkmal (das<br />
wäre nur seine „pragmatische" Bedeutung), sondern er betrachtet<br />
ihn auch als Symbol: „Mütterlich bot sie (die Natur) ihrem letzten<br />
künstlichen Geschöpf die Hand und sprach: ,Steh auf von der<br />
Erde! Dir selbst überlassen, wärest du Tier wie andre Tiere;